Irgendwas geht immer (German Edition)
in einem anderen Geschöpf – einem Geschöpf, das nicht einmal ahnt, dass es mir mein Herz gestohlen hat. Ein Dieb ist es, ein unschuldiger Dieb. Der Dieb meiner Zuneigung. Jener kluge, hinreißende und bezaubernde Gentleman. Darf ich es wagen, seinen Namen zu nennen? Darf ich meinen Lippen gestatten, um diesen wunderbaren Namen zu tanzen? Oh, was für ein törichter, törichter Junge ich doch bin. Aber ja, natürlich darf ich. Tanzt, ihr Lippen, tanzt.
NOEL
Jetzt ist es heraus! Noel, Noel, Noel. Oh welch herrliches Gefühl, wenn mir dieser Name über die Lippen kommt. Man muss sie zu einem Kuss formen, wenn man ihn aussprechen will. Oh, wie hasse ich jeden fruchtlosen Moment des Tages, wenn ich ihn nicht ausspreche. Noel. Es hat so etwas Verwegenes … Noel. Und etwas Engelgleiches. Noel. Gütiger Gott, lass mich mit diesem Namen auf den Lippen sterben, und ich werde glücklich sein. Noel. So perfekt. Noel, mein lieber Noel. Es ist geradezu absurd, sich ein Leben ohne dich vorzustellen, Noel. Oh, die Liebe droht, mein Innerstes zerbersten zu lassen. Ich sterbe an dir, Noel, und ich bin im Himmel. Ich liebe dich, verdammt. Ich liebe dich!
ZWANZIG
MO
Ich bin immer noch nicht hundertprozentig auf dem Damm, halte es aber keinen weiteren Tag zu Hause aus. Seit gestern ekle ich mich regelrecht vor dem widerwärtigen Gestank nach Krankheit, der von mir und meinem Bett ausgeht. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass sich nach einer Woche Krankheit das Bett selbst damit angesteckt hat und die Keime in die Tiefen der Matratze und des Gestells vordringen. Wenn man es nicht schafft, schnell genug zu genesen und wieder aufzustehen, steckt man sich gleich noch einmal an, nur diesmal hundertmal schlimmer, gewissermaßen als Strafe dafür, dass man sich wie ein Weichei gebärdet hat.
Aber egal. Ich bin jedenfalls heute aufgestanden und habe das Haus verlassen. Meine Beine waren noch ein bisschen zittrig von dem langen Liegen, aber als ich erst einmal im Wagen saß, ging alles seinen gewohnten Gang. Dieselbe Fahrt, vorbei an den gewohnten Geschäften, der Schule, dem Kricketplatz und dem Kriegerdenkmal. Manchmal frage ich mich, ob sich meine Augen langweilen, weil sie ständig dieselben Dinge zu sehen bekommen. Tagein, tagaus immer dasselbe Bild. Ich glaube, ich könnte die Fahrt sogar mit geschlossenen Augen absolvieren. Jede Wette. Ich könnte die Straße fühlen. Ich wüsste instinktiv, wann ich das Lenkrad einschlagen, wann ich bremsen, anhalten und wieder Gas geben müsste. Natürlich wäre das unvorhersehbare Verhalten der anderen Autofahrer oder eines Passanten, der sich nicht an die Regeln hält, ein Problem, aber ansonsten würde ich es unter Garantie schaffen. Vielleicht sollte ich es ja an einem Samstagmorgen mal ausprobieren, ganz früh, wenn noch nicht viel los ist. Ob ich den Mut aufbringen würde? Würde ich mich tatsächlich auf eine derartige Probe stellen? Wäre ich zu einem so verantwortungslosen Verhalten fähig? Es wäre völlig untypisch für mich. Hätte ich zu große Angst? Würde ich auf Nummer sicher gehen wollen? Was würde ich tun, wenn ich keine Angst hätte? Wenn ich einmal nicht die Sicherheit und die Vernunft an oberste Stelle setzen würde? Ja, dann würde ich es definitiv versuchen. Definitiv …
Aber in diesem Augenblick saß ich im Wagen und fuhr zur Arbeit wie sonst auch. Ich freute mich darauf, all meine Patienten wiederzusehen. Die meisten hatten ihren Termin vergangene Woche abgesagt, nachdem sie mitbekommen hatten, dass ich nicht da war. Ich weiß, dass sie ihre Therapiesitzungen brauchen, aber ich kann nicht leugnen, dass es mich freut, wenn sie lieber warten, bis ich wieder gesund bin. George hat mich bei einigen Fällen vertreten, bei denen es nicht anders ging. Im Beisein des Praktikanten, meines Praktikanten, nicht Veronicas. Darüber bin ich sehr froh. Ich bin nicht ganz sicher, wie meine Teenager-Jungs mit der auffallend gut ausgestatteten und leichtbekleideten Veronica zurechtgekommen wären. Wie hätten sie sich in Gegenwart dieser Dinger konzentrieren sollen? Das Schlimme daran ist, dass sie ihre Aufmerksamkeit garantiert genossen hätte. Ich wünschte, ich könnte ihr Recht verteidigen, dass sie sich bei der Arbeit so zeigen darf, wie sie es für richtig hält. Im Hinblick auf mich selbst habe ich da überhaupt keine Befürchtungen, aber wie kann man so etwas bei jemandem zulassen, dem es an jeglichem Verantwortungsgefühl mangelt?
Ach, Mo, halt den Mund. Du
Weitere Kostenlose Bücher