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Irgendwas geht immer (German Edition)

Irgendwas geht immer (German Edition)

Titel: Irgendwas geht immer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn French
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werden die Rinnen schon sorgen, so viel steht fest.
    Außerdem scheinen mir über Nacht zusätzliche Lider gewachsen zu sein. Über meinen eigenen. Als sei geschmolzene Lava von meinen Brauen getropft und bahne sich einen Weg über die Lider bis zu den Brauen, die unter dem Gewicht zusammenbrechen. Wo um alles in der Welt kommt all diese Haut auf einmal her? Hat sie sich unter meinem Haaransatz und hinter den Ohren versteckt und gewartet, bis ich fünfzig werde, um herauszuspringen? Na gut, vielleicht nicht springen, sondern eher langsam quellen. Mein Gesicht hat allem Anschein nach jeden Widerstand aufgegeben. Vor zwei Wochen zeigte es noch einen Rest an Kampfgeist, doch mittlerweile sehnt es sich nur noch nach Ruhe. Ich kann es ihm nicht verdenken. Es hat in der Vergangenheit schließlich einiges geleistet. All diese Reaktionen und Ausdrücke und all das. Von den Wettereinflüssen ganz zu schweigen.
    Also gut, dann laufe ich jetzt mit dem Gesicht meiner Mutter herum.
    Hat meine Mutter sich schon die ganze Zeit in mir versteckt? Hat sie sich direkt unter meiner Hautoberfläche eingenistet, um nun, während die Zeit Schicht um Schicht freigelegt hat, ans Tageslicht zu kommen, wie eine ägyptische Mumie bei einer Ausgrabung aus dem Sand? Ich habe keine Ahnung, was ich von alldem halten soll. Schließlich habe ich zeitlebens darum gekämpft, mich von ihr zu befreien und nicht so zu werden wie sie. Sie mag in vielerlei Hinsicht ein anständiger Mensch sein, aber ihre Fehler und Makel wollte ich ganz bestimmt nicht erben. Stattdessen wollte ich diese erkennen und ausmerzen. Ich wollte mich weiterentwickeln, meine eigene Persönlichkeit erschaffen, meinen eigenen Platz auf der Welt finden.
    Einige dieser Charakterzüge sind noch nicht einmal Fehler, sondern Facetten der Natur, die mir lediglich auf die Nerven fallen. Ihre scheinbar endlose Toleranz, ihre passive Akzeptanz, ihre Fähigkeit, die Tragödie und das Trauma regelrecht magisch anzuziehen, und ihre schier grenzenlose Gabe, sich damit zu arrangieren. Es ist irrational und gemein von mir, dass mir all das so auf die Nerven geht, aber so ist es nun mal, und erst jetzt stelle ich fest, dass sie all die Jahre unbemerkt ein Teil von mir war. Rein äußerlich zeigt sie sich mit jedem Tag deutlicher. Ist es bald so weit, dass sie vollends von mir Besitz ergreift? Von meinem Charakter, meiner Persönlichkeit, meinem innersten Wesen – alles zu einem riesigen Mutter-Monster verschmolzen? Ein Parasit gewaltigen Ausmaßes, der mich auffressen wird? Der mich all die Jahre schon aufgefressen hat, von innen heraus, ohne dass ich etwas davon mitbekommen habe?
    Oh Gott, bitte hilf mir – ich weiß, was das heißt. Verdammt. Es heißt, dass ich mit ihr verbunden bin. Dass ich mich nicht von ihr lösen kann. Immer noch nicht. Ob es mir nun gefällt oder nicht. Ich bin an sie gefesselt. Aber heißt das automatisch, dass es auch für immer so bleiben muss? Nein. Denn hier kommt der freie Wille ins Spiel. Dass ihr Gesicht nun wie eine Mami-Maske auf meinem wächst, ist das eine (und eigentlich gar nicht so schlimm, denn in Wahrheit hat sie ein ganz nettes und sehr anziehendes Gesicht, zumindest wenn man auf kratertiefe Falten steht), aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich auch so werden muss wie sie. Ich bin eine erwachsene Frau. Wie jeder sehen kann. Also kann ich auch sein, wer ich will, und ich will ich sein. Voll und ganz. Also aus dem Weg, Pamela, am Ende komme ich doch durch!
    In der Zwischenzeit werde ich exorbitante 80 Pfund in eine Wundercreme investieren, obwohl ich genau weiß, dass sie sowieso nicht funktionieren wird. Aber ich will wenigstens versuchen, einige der allertiefsten Krater in meinem armen zerbröckelnden Gesicht auszumerzen. Dann werde ich mich garantiert sofort besser fühlen. Wenigstens habe ich die Initiative ergriffen. Schließlich bin ich es wert …
    Oh Gott, bin ich das wirklich?

NEUNZEHN
    OSCAR
    Ich kann nicht essen. Ich kann nicht schlafen. Ich kann kaum noch atmen. Ich führe kein Leben, das diese Bezeichnung verdienen würde. Ich bin ein Schatten meines einstigen Selbst. Wenn es so weitergeht, wird nach Ablauf dieses Monats wohl nichts mehr von mir übrig sein. Mein Innerstes wird von wilden Stürmen und Ruhelosigkeit gebeutelt. Ich habe mein Herz verloren. Es ist fort, für immer fort. Blickt in mein Herz, und ihr werdet sehen, dass dort, wo es einst schlug, nichts als eine Lücke in Form eines Herzens klafft. Es ist fort. Es schlägt

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