Irgendwie Top
rau. „Dann hinein in die Höhle des Löwen. Heute ist durchaus ein schöner Tag zu sterben, findest du nicht?“ Grinsend drückte Markus seine Finger und ließ sie erst los, als das gedämpfte Läuten der Glocke durch den Flur hinter der Tür hallte. Sein Herzschlag wummerte, das Rauschen des Blutes hallte in seinen Ohren wider. Er sah seine Mutter vor sich, wie sie aus der Küche oder dem Wohnzimmer kommen würde, das lange, dunkle Haar zu einem Zopf geflochten, die Kette mit dem kleinen Rosenanhänger um den Hals, die grünen Augen, die ihn auf so vielfältige Art und Weise ansehen konnten. Maria hatte ihn immer durchschauen können. Seinem Vater Stewart hatte er oft genug vormachen können, dass er zerknirscht war, bereute, was bei seinen wilden Spielen zu Bruch gegangen war. Glaubhaft hatte er vor ihm alle notwendigen Emotionen darstellen können. Seine Mum wusste es besser, blickte ihn an und schon konnte er nicht mehr lügen, schon lag die offensichtliche Wahrheit klar erkennbar vor ihr.
Damals, nachdem er das erste Mal mit einem Jungen intim geworden war, hatte sie ihm angesehen, dass etwas anders war.
„Mum, ich glaube, ich stehe doch mehr auf Jungs als auf Mädchen“, hatte er zu ihr gesagt, kaum eine Woche danach, in der kleinen Küche dieses Häuschens und dabei bereits an Tim gedacht. Markus war leicht angetrunken spät von einer Party heimgekommen und seine Mutter hatte auf ihn gewartet, sich Sorgen gemacht. Maria hatte nicht viel dazu gesagt, war aufgestanden, hatte ihn umarmt und geflüstert, dass es nicht so wichtig sei, sie nur froh wäre, dass ihm nicht passiert wäre, er ihr immer alles erzählen könne und sie ihn vor allem glücklich wissen wollte.
Natürlich waren die Worte leichter gesagt, als erfüllt und selbstverständlich hatte sie sich doch schwer getan, ganz und gar zu akzeptieren, dass er keine Schwiegertochter anbringen und es keine Enkelkinder geben würde. Homosexualität war ein ihr unbekanntes Thema gewesen, mit dem sie sich erst nach und nach beschäftigen lernte. Markus' Vorliebe für die schwulen Clubs hatte sie nie verstehen können. Dennoch konnte er ihr immer alles erzählen und sie versuchte zumindest, ihn zu verstehen, es zu akzeptieren.
Alles hatte er ihr dennoch nicht erzählt. Vor allem die Details seines Nachtlebens wollte sie ganz bestimmt auch nicht hören. Und die Sache mit seinen Gefühlen Tim gegenüber hatte er natürlich auch verschwiegen. Jedem gegenüber.
Markus schrak aus seinen Gedanken hoch, als sich die Tür öffnete. Marias grüne Augen richteten sich mit jener bekannt abwartenden und skeptischen Mischung auf ihn, die die Schublade „Sohnemanns-Schuldgefühle“ weit öffnete und ihn die Schultern automatisch senken ließ.
Oh ja, er war zu spät dran. Der Umweg über die Dusche hatte natürlich Zeit gekostet, nur konnte er ihr schwerlich erklären, welch guten Grund er gehabt hatte. Andererseits war Markus häufig zu spät, daran war sie gewöhnt und trug es gewöhnlich mit Fassung.
„Ich dachte schon, du würdest doch nicht kommen.“ Ihr vorwurfsvoller Blick glitt von seinem Gesicht ab und fiel auf den großen Blumenstrauß. Überrascht weiteten sich ihre Augen und Markus dankte seiner himmlischen Eingebung, Alex mit dieser Auswahl betraut zu haben, denn in ihrem Gesicht blitzte erstaunte Anerkennung, beinahe schon Entzücken auf.
„Hi Mum, tut mir leid.“ Er küsste sie auf die Stirn und drückte ihr den Strauß in die Hand.
„Der ist ja wunderschön! Mit so schönen Rosen. So einen hast du mir noch nie mitgebracht.“ Markus lächelte gequält bei dem gedanklichen Tritt gegen sein Schienbein und trat ein kleines Stück zur Seite.
„Ich habe noch was mitgebracht“, erklärte er verschwörerisch lächelnd und gab den Blick auf Alex frei, der mit der Flasche in der Hand dastand, sich am Kragen seines weißen Hemdes zupfte und Markus' Mutter stumm musterte. Er wirkte plötzlich fehlplatziert, in der Designerjeans, mit weißem Hemd und dunkelgrauem Sakko, eher wie ein Vertreter, der sich in der Tür geirrt hatte und dem die Störung höchst unangenehm war. Wenn allerdings ein Vertreter wie Alex vor einem stand, kaufte man ihm vermutlich alles ab. Die Haare waren seitlich zurückgestrichen, betonten seine edlen Züge und schönen Augen. Er war einfach ein Hingucker und Markus fühlte Stolz sein Rückgrat straffen.
„Mum, das ist Alex“, stellte er ihn lächelnd vor, die Augen unverwandt auf ihn gerichtet, Bewunderung und puren
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