Irgendwo da draußen - Kriminalroman
lieb von dir«, sagte ich.
Franka nahm mich in den Arm, und ich drückte mein Gesicht in ihr verfilztes, nach Spray stinkendes Haar. Beinahe hätte ich geheult.
»Willst du mir alles erzählen?«
»Ja.« Ich wischte mir verstohlen über die Augen. »Wir gehen in meine Wohnung. Das Geschäft ist heute geschlossen.«
Und ich erzählte ihr alles. Über Christoph Wallhorst und Hubert Disselbeck, Interwork Company und den geheimnisvollen Mann aus Brüssel, über die Außerirdischen, Peter Hofknecht, den Hypnotiseur und die Familie Lahrmann. Nur die nächtlichen Telefongespräche mit der anonymen Frau ließ ich aus. Franka stellte ab und zu Zwischenfragen und hörte konzentriert zu.
Als ich fertig war, blieb es eine Weile still.
Schließlich sagte Franka: »Warum bist du so sicher, dass Koslowski von dem Mann aus Brüssel umgebracht wurde?«
»Von ihm oder von einem seiner Leibwächter.«
»Und wenn es mit dem anderen Fall zusammenhängt?«
Ich lächelte halbherzig. »Du meinst, Koslowski hat die Landung eines UFOs in den Rieselfeldern beobachtet, und dann haben ihn die kleinen grauen Männchen kaltgemacht, weil sie Zeugen nicht ausstehen können.«
»Nein, Georg, es waren die Klingonen, die alten Feinde der Föderation. Denk doch mal nach!«
»Denken ist nicht meine Stärke.«
»Koslowski hat dir geholfen, Hofknecht einzuschüchtern, richtig?«
»Stimmt«, gab ich zu. »Aber Hofknecht ist nicht der Typ, der mit einer Pistole herumrennt.«
»Und am nächsten Tag taucht diese Lahrmann-Tiemen auf, drückt dir einen Scheck in die Hand und sagt: Befehl zurück, Auftrag beendet.«
»Weil ihre Eltern ausgerastet sind.«
»Oder weil man sie unter Druck gesetzt hat.«
»Du spinnst, Franka«, sagte ich gutmütig. »Jetzt siehst du auch schon Gespenster.«
»He! Du hast die Kohle von dieser Schnepfe kassiert. Also kannst du es dir leisten, ein paar Tage zu investieren. Tu’s für Koslowski!«
»Die Polizei kümmert sich darum. Stürzenbecher ist Fachmann auf dem Gebiet.«
»Hast du ihm von den Außerirdischen erzählt?«
»Nein, ich möchte nicht, dass er mich ins LKH einweist.«
»Dann müssen wir uns darum kümmern, Angernagel und seinen Verein hochzunehmen.«
»Wir?«
»Ja, du und ich, im Plural wir. Altmodisch könnte man uns als Team bezeichnen. Immerhin habe ich den größten Teil der Nacht damit verbracht, die Doktorarbeit von Corinna Lahrmann zu lesen. Ich nehme an, es interessiert dich brennend zu erfahren, was drinsteht?«
Die Doktorabeit. Die hatte ich völlig vergessen.
»Oh ja«, stöhnte ich. »Schieß los!«
Sie setzte sich in Positur. Franka, die Wissenschaftlerin. »Also, erst mal ist der Text nicht vollständig. Es fehlen einige Kapitel, die sie noch schreiben wollte. Von dem, was vorhanden ist, lesen sich zwei Drittel wie eine ganz normale wissenschaftliche Arbeit. Soweit ich das beurteilen kann, ich bin ja erst im ersten Semester.«
Ich nickte aufmunternd.
»Es geht um Ausgrabungen in Qumran, eine Siedlung der Essener am Toten Meer. Die Essener haben dort von etwa 100 vor Christi bis 70 nach Christi gelebt. Dann sind sie von den Römern gekillt worden. Wusstest du, dass die Bezeichnung Essener von dem aramäischen Wort essén kommt, das ebenso wie seine hebräische Entsprechung chasidim ›die Frommen‹ bedeutet?«
»Nein«, bekannte ich. »Da habe ich eine Bildungslücke.«
»Im Übrigen ist der Orden der Essener vom Lehrer der Gerechtigkeit gegründet worden, ein ziemlich heißer Typ, der sich mit dem judäischen König Jonatan angelegt hat. Das heißt, ursprünglich war der Lehrer der Gerechtigkeit selbst Hoherpriester am Tempel von Jerusalem, bevor er vom Makkabäer Jonatan verjagt wurde. Im Exil hat der Lehrer der Gerechtigkeit dann die essenische Union gegründet, ein Verein von Frommen, die den ganzen Tag gebetet, gelesen und an Schriftrollen geschrieben haben. Der Lehrer der Gerechtigkeit war echt sauer auf Jonatan und hat ihn aufgefordert, zurückzutreten. Die Antwort von Jonatan war ein Attentatsversuch.«
»Franka«, sagte ich sanft. »Ich bin heute nicht in der Stimmung für einen Volkshochschulkurs.«
»Na ja, ich muss dir doch sagen, worum’s geht, sonst verstehst du das andere nicht.«
Ich ergab mich in mein Schicksal.
»Das eigentlich Interessante an Qumran sind die Schriftrollen. Als es mit den Essenern zu Ende ging, während des Krieges mit den Römern, haben sie die Schriftrollen in Höhlen versteckt. Die ersten Rollen tauchten in den Vierzigerjahren
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