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Irgendwo da draußen - Kriminalroman

Irgendwo da draußen - Kriminalroman

Titel: Irgendwo da draußen - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grafit
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von einer Schwester in Argentinien, die es nicht für nötig hält, aus der Pampa herüberzufliegen. Ich muss einige Sachen regeln, die mir schwer an die Nieren gehen, Koslowskis Wohnung auflösen, mich um die Beerdigung kümmern. Wenn du mir dabei helfen würdest, wäre ich dir echt dankbar.«
    Die Punk-Lady schluckte. »Verdammt, Georg, das ist ja mies. Ich hab ein paar Seminare an der Uni, ansonsten kannst du mich voll einplanen.«
    »Angernagel nehmen wir uns später vor.«
    »Sicher. Wo hat Koslowski denn gewohnt?«
    »In der Goldstraße.«
    Sie schaute auf ihre Plastikarmbanduhr. »Jetzt hätte ich Zeit. Sollen wir rüberfahren und uns die Bude angucken?«
    Ich stand auf. »Aber vorher muss ich etwas essen. Sonst sterbe ich an Entkräftung.«
    In der Küche schmierte ich mir zwei Brote. Das erste vertilgte ich auf der Stelle, mit dem zweiten machte ich mich auf die Suche nach Franka. Ich fand sie im Büro, in ein Telefongespräch vertieft. Als ich hörte, was sie sagte, fiel mir fast der Käse von der Schnitte.
    »… und manchmal bin ich Petra, ein kleines Mädchen, das mit Puppen spielt. Das kann sich ganz plötzlich ändern. Vorher war ich Angel, die Lackklamotten trägt und Männer aufreißt, und im nächsten Moment sitze ich vor meiner Puppenstube und kämme die Haare meiner Puppen.«
    Ich bekam einen steifen Hals. »Was zum Teufel …«
    Franka wedelte heftig mit der freien Hand und schnitt eine Grimasse. »Das macht mir Angst, verstehen Sie«, flötete sie in den Hörer. »Diese vielen Ichs, die in mir stecken.« Sie bekam eine tiefe Stimme. »Da ist noch Gudrun, eine alte, weise Frau …«
    Und so ging es eine Zeit lang weiter. Insgesamt zählte ich sieben verschiedene Persönlichkeiten, die in Franka steckten.
    Ihr Gesprächspartner schien beeindruckt. Am Ende sagte sie mit ihrer normalen Stimme: »Ja, heute Nachmittag ist mir recht. Um sechzehn Uhr, zu einer Vorbesprechung, alles klar.« Dann legte sie auf.
    »Angernagel«, fauchte ich.
    Franka grinste. »Multiple Persönlichkeit, eine Psycho-Erscheinung, die schwer in Mode ist. Ich bin mal gespannt, ob er mir erzählt, dass die Außerirdischen dran schuld sind.«
    »Ich dachte, ich hätte mich vorhin deutlich genug ausgedrückt.«
    »Georg«, sagte sie mit ihrem wunderbar kleinen Schmollmund, »ich bin neunzehn und damit volljährig. Ich kann tun und lassen, was ich will. Es wäre schön, wenn du mich zu Angernagel begleiten und vor dem Haus warten würdest. Andernfalls ziehe ich es alleine durch.«
    »Du bist eine verbockte, unreife Trotzköpfin.«
    »Und du ein einfallsloser, in Routine erstarrter Schnüffler.«
    Jedenfalls war meine Autorität gleich null.
    »So«, sagte sie schnippisch, »können wir jetzt endlich zu Koslowskis Wohnung fahren?«
     
    Ich hatte schon den Autoschlüssel in der Hand und strebte zu meinem am Straßenrand geparkten Italiener, als Franka mich aufhielt. »Hast du kein Fahrrad?«
    »Natürlich habe ich ein Fahrrad. Jeder Münsteraner besitzt ein Fahrrad.«
    »Dann lass uns Fahrrad fahren. Es ist ja nicht weit bis zur Goldstraße.«
    Also schwangen wir uns auf unsere Räder. Anscheinend hatte eine neunzehnjährige Veganerin das Kommando beim Detektivbüro Wilsberg & Partner übernommen. Wenn alles vorüber und ich mal wieder ausgeschlafen war, würde ich mir überlegen müssen, wie ich damit umging.
    Tatsächlich war es gar keine so schlechte Idee, durch die milde Herbstluft zu radeln. Wir nahmen den Fahrradschnellweg, die Promenade, kamen an der rot geziegelten und stacheldrahtbewehrten Trutzburg der Justizvollzugsanstalt vorbei, und in weniger als zehn Minuten erreichten wir die Goldstraße, die sich an der rückwärtigen Seite des Gefängnisses erstreckte. Vierrädrig und motorisiert hätte es vermutlich länger gedauert.
    Mit Koslowskis Schlüssel, den mir Stürzenbecher übergeben hatte, öffnete ich die Wohnungstür. Die Leute von der Spurensicherung hatten sich bemüht, alles an seinen Platz zurückzulegen. Die Wohnung sah so aus, als hätte ihr Bewohner sie gerade erst verlassen. Sie war klein, sauber und atmete die einsame Sterilität eines langjährigen Junggesellendaseins. Vom Schlafzimmerfenster aus überblickte man den Gefängnisinnenhof. Keine angenehme Wohnlage für Leute, die mit dem Gesetz in Konflikt kamen.
    Franka betrachtete skeptisch die Inneneinrichtung.
    »Du kannst dir nehmen, was du willst, und den Rest verkaufen oder auf den Sperrmüll stellen«, schlug ich vor. »Der Erlös gehört dir. Mir

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