Irgendwo da draußen - Kriminalroman
würden. Schließlich obsiegte die Aussicht, auf keine Monatsmiete verzichten zu müssen und nicht einmal Stress mit der Mietersuche zu haben.
Franka und ihr Freund Mark-Stefan kamen vorbei, um sich nach der Wohnung zu erkundigen. Als ich von dem erfolgreichen Gespräch mit Frau Schattschneider berichtete, vollführten sie einen spontanen Freudentanz, den ich mit dem milden Lächeln eines sittlich gereiften Menschen verfolgte, dem die Rolle des Glücksbringers vollauf genügt. Endgültig komplett wurden die vorgezogenen Weihnachten, als ich ihnen Koslowskis Ford für einige Wochen lieh, damit sie ihr weniges Hab und Gut problemloser hin- und herkutschieren konnten. Die einzige Bedingung, die ich ihnen auferlegte, war eine gründliche Reinigung des Wageninnenraums.
Dann war endlich alles geregelt, besprochen und unterschrieben, und ich fühlte mich müder als nach einem normalen Arbeitstag. Eine kurze Inspektion des Kühlschranks und der Schränke erbrachte die negative Erkenntnis, dass alle Tiefkühlkost- und Fertiggerichte aufgebraucht waren. Also pilgerte ich zum Supermarkt des Viertels, über den ein berühmter, lokaler Romancier einen ganzen Roman geschrieben hatte, worauf ihm der Verein der Kaufmannschaft prompt den Titel Philosoph des Einzelhandels verliehen hatte.
Später machte ich mir Nudeln mit Pesto, aß zum Dessert einen Milchreis mit Vanillegeschmack und hatte von da an nichts anderes zu tun, als auf den Anruf meiner anonymen Telefonbekanntschaft zu warten.
Nach dem ersten Klingeln hatte ich den Hörer in der Hand.
»Wie geht es Ihnen?« Ihre Stimme zitterte.
»Nicht besonders. Und Ihnen?«
»Schrecklich. Wo waren Sie gestern Abend?«
»Hier. Ich habe geschlafen. In der Nacht davor bin ich nicht ins Bett gekommen.«
Wir schwiegen.
»Wer beichtet zuerst?«, fragte ich.
»Sie.«
Ich seufzte. »Na schön. Mein Partner ist ermordet worden.«
Sie machte ein kehliges Geräusch und ließ den Hörer fallen.
»Hören Sie mich?«
»Ja, ich bin da.« Das Zittern wurde stärker.
Ich betonte jedes einzelne Wort: »Es waren nicht die Außerirdischen. Sein Tod hat nichts mit Corinna Lahrmann und den Entführungen zu tun.«
»Sind Sie sicher?«
»Vollkommen.« Und ich erzählte ihr von Koslowskis Ermittlungen im Baugewerbe und dem Verdacht, dass die russische Mafia ihre Hände im Spiel hatte.
Sie war nicht überzeugt: »Hat Ihr Partner Sie nie begleitet, als Sie wegen Corinna unterwegs waren?«
Ich überlegte eine Sekunde zu lange.
»Also doch.«
»Einmal war er dabei«, gab ich zu. »Er hat mir geholfen, aus Peter Hofknecht, Corinnas Freund, ein paar Informationen herauszukitzeln.«
»Hofknecht.« Sie sprach den Namen aus, als handele es sich um eine verdorbene Süßspeise. »Das ist einer von Angernagels Jüngern.«
»Habe ich mir fast gedacht.« Ich versuchte, eine aufmunternde Tönung in meine Worte zu bringen: »Das waren meine Erlebnisse. Jetzt sind Sie dran!«
»Ich hatte heute Nasenbluten.«
Was sollte das nun wieder? »Aha.«
»Sie verstehen nicht, was das bedeutet. Ich bin letzte Nacht entführt worden, und dabei haben die Außerirdischen …«, sie stockte, »… mir ein Implantat in die Nase eingesetzt.«
Ich bemühte mich, nicht ungläubig zu klingen. »Das haben Sie mitbekommen?«
»Ja, es war fürchterlich. Sie schieben ein Instrument in die Nasenhöhle, ganz weit hoch, bis zwischen die Augen.«
»Und warum tun sie das?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht ist es ein Sender, mit dem sie mich besser orten können. Oder ein Messgerät, mit dem sie Veränderungen im Inneren des Körpers messen.«
»Wieso lassen Sie das Ding nicht einfach von einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt entfernen?«
»Es reagiert nicht auf Röntgenstrahlen«, sagte sie schnell. »Manchmal kommt es von alleine wieder heraus, wenn man sich kräftig schnäuzt.«
Ich schwieg.
»Sie glauben mir nicht«, jammerte sie.
»Ich glaube Ihnen«, log ich.
Sie fing an zu weinen. »In der letzten Nacht war ich stundenlang dort oben. Sie haben ihre gesamten grässlichen Experimente an mir durchgeführt. Und es gibt niemanden, der begreift, was sich da abspielt.«
»Bis auf Angernagel und seine Anhänger.«
»Zu denen gehe ich nicht mehr. Ich bin so allein, völlig allein.«
»Das liegt an Ihnen.« Unbewusst wurde ich lauter. »Wenn Sie kein Vertrauen zu mir haben, ist das Ihr Problem. Ich will Ihnen gerne helfen, aber Sie ziehen es ja vor, diese anonyme Masche abzuziehen.«
Schweigen in der Leitung. War ich zu weit
Weitere Kostenlose Bücher