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Irgendwo ganz anders

Irgendwo ganz anders

Titel: Irgendwo ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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Thursday1–4 gerade aufgestanden war.
    »Du sitzt auf meinem Platz.«
    »Das ist nicht dein Platz.«
    »Ich habe zuerst dort gesessen, also ist es meiner.«
    »Der gehört dir doch nicht.«
    »Hör mal«, knurrte Thursday1–4, »häkelst du eigentlich gerne?«
    »Ja –?«
    »Dann kannst du dir vielleicht vorstellen, wie schwer das geht ... mit gebrochenen Fingern. «
    Thursday5s Unterlippe zitterte einen Moment lang. »Ich ... ich ... denke doch, wir können wie vernünftige Erwachsene darüber sprechen und brauchen nicht gleich Gewalt anzuwenden.«
    »Könnten wir vielleicht«, erwiderte Thursday1–4, »aber es ist viel einfacher, wenn ich hier die Ansagen mache. Also: Beweg deinen gebatikten Arsch von meinem Stuhl.«
    »Thursday?«, sagte ich.
    »Ich schaff das alleine«, schnauzte Thursday5 mich endlich einmal verärgert an. »Ich muss nicht beschützt werden wie ein kleines Kind, wenn unsere Miss Schlagdrauf das Maul aufreißt!«
    »Ich mische mich gar nicht ein«, sagte ich, »ich will nur wissen, woher Thursday1–4 die Pistole hat.«
    »Diese?«, sagte sie und hielt die kleine schwarze Waffe in die Höhe, die ich in ihrer Hand bemerkt hatte. »Die ist echt cool, nicht? Eine Browning Kaliber .26, Standard-Single-Action-Au-tomatic mit Slide-and-Grip-Sicherung.«
    »Wo hast du die her?«
    »Hab ich gefunden«, gab sie abwehrend zurück. »Also behalt ich sie auch.«
    Dafür fehlte mir die Geduld.
    »Sag mir, wo du sie gefunden hast, oder du bist ihr nächstes Opfer.«
    Sie schwieg einen Moment, dann sagte sie: »Sie war ... in diesem Klavierstuhl.«
    »Idiotin!«, brüllte ich, stand auf und befahl ihr, mir die Waffe auszuhändigen. »Die ist ein entscheidender Bestandteil der Handlung in Fata Morgana ! Warum kannst du dich nicht aus den Sachen raushalten?«
    »Ich dachte –?«
    »Das ist ja gerade das Problem. Du denkst überhaupt nicht. Bleib hier, während wir das regeln. Und fass bloß nichts an. Ich wiederhole: Fass nichts an. Verstanden?«
    »Ja, ja, klar. Wofür halten Sie mich eigentlich? Für ein kleines Kind?«
    Ich hatte keine Zeit für lange Diskussionen, sondern befahl Thursday5, mir dicht auf den Fersen zu bleiben, und sprang aus der KlavierEinsatzZentrale in die Große Bibliothek. Von dort machten wir uns auf in Agatha Christies Fata Morgana .
     
    Wir kamen in dem schwach beleuchteten kurzen Korridor von Stonygates an, der zur Großen Halle führte, und pressten uns an die Wand. Ich warf einen Blick in die Halle. Es war ein riesiger Raum, der mit seinem dunklen Holz und der spärlichen Beleuchtung die viktorianische Düsterkeit eines Schauerromans verbreitete. Etwa ein halbes Dutzend Personen plauderte angeregt, aber noch wichtiger war, dass direkt vor uns der Goetzmann-Flügel stand, den wir vor nicht einmal zwei Minuten losgeschickt hatten. Und davor der Klavierstuhl, in den die Waffe zurückgelegt werden musste. Ich wollte gerade mein Glück versuchen und mich hineinschleichen, hatte aber nicht mehr als zwei Schritte getan, als ein junger Mann auftauchte, der sich auf den Klavierstuhl setzte und zu spielen begann. Ich zog mich in den dunklen Korridor zurück und fühlte, wie Thursday5 nervös meinen Arm ergriff, als die Lichter flackerten und ausgingen. Das ganze Haus lag im Halbdunkel. Wir zogen uns noch weiter zurück, denn ein großer Mann mit mürrischem Gesichtsausdruck kam aus der Halle, verschwand in der Düsternis und grummelte etwas über Sicherungen. Ein paar Minuten später stolperte eine ältere Dame ins Speisezimmer, um etwas zu holen. Sie kehrte mit einem Glas in der Hand zurück, und kurz darauf wurde die Haustür geräuschvoll geöffnet. Ein junger Mann erschien und betrat mit theatralischem Gehabe die Halle. Darauf folgte ein Streit, die Tür des Arbeitszimmers öffnete und schloss sich, gedämpft hörte man erhobene Stimmen und schließlich zwei Schüsse. Dieses Geschehen lenkte natürlich die Personen im Raum ab, so dass ich mich zu dem Mann am Flügel schleichen und ihm leicht auf die Schulter klopfen konnte. Er sah erstaunt auf, als ich ihm meine Jurisfiktion-Marke zeigte, dabei die Augenbrauen in die Höhe zog, einen Finger an die Lippen legte und ihm bedeutete, sich zu den Leuten auf der anderen Seite des Raumes zu stellen. Er tat wie geheißen und sobald er mir den Rücken zuwandte, schob ich die kleine Automatik in den Klavierstuhl zwischen die Noten von Händels Largo und Chopins Préludes.
    Schnell und geräuschlos trat ich den Rückzug zu Thursday5 an, die

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