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Irgendwo ganz anders

Irgendwo ganz anders

Titel: Irgendwo ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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sie. »Es ist doch kein großer Schaden entstanden. Klar, ich hab ein Klavier in Emma bugsiert – aber schließlich ist es niemandem auf den Kopf gefallen.«
    Ich sah sie einen Moment lang an. Selbst wenn man ihre extreme Arroganz in Betracht zog, machte das Ganze keinen Sinn. »Du bist nicht dumm. Du wusstest , dass du deswegen endgültig gefeuert werden würdest. Also, warum hast du es gemacht?«
    Sie starrte mich hasserfüllt an. »Sie wollten mich doch sowieso entlassen. Ich hatte nicht die geringste Chance.«
    »Die Chance war minimal«, gab ich zu, »aber sie war da.«
    »Da bin ich anderer Meinung. Sie hassen mich. Haben Sie immer schon. Vom Augenblick meiner Veröffentlichung an. Wir hätten Freundinnen sein können, aber Sie sind nicht mal zu Besuch gekommen. Nicht einmal in vier Bänden. Keine Postkarte, keine Fußnote, nichts. Ich stehe Ihnen näher als Ihre Familie, Thursday, und Sie haben mich wie den letzten Dreck behandelt.«
    Jetzt ging mir ein Licht auf.
    »Du hast das Klavier in Emma gestellt, damit ich in der Scheiße lande. Ist doch so?«
    »Nach allem, was Sie mir angetan haben, ist das noch viel zu gut für Sie. Sie hatten mich von dem Moment an auf dem Kieker, als ich bei Jurisfiktion ankam. Alle hatten das.«
    Ich schüttelte traurig den Kopf. Sie war voller Hass. Aber sie versuchte nicht, ihn zu überwinden, sondern projizierte ihn auf alle in ihrer Nähe. Ich seufzte.
    »Hast du dich für eine vermeintliche Kränkung gerächt?«
    »Das war keine Rache«, sagte Thursday1–4 mit leiser Stimme. »Sie werden schon noch merken, was richtige Rache ist.«
    »Gib mir deine Marke.«
    Sie wühlte in ihrer Tasche und dann warf sie die Marke einfach auf den Boden. »Ich höre auf«, zischte sie. »Ich würde nicht mehr zu Jurisfiktion gehen, auch wenn Sie mich auf den Knien darum anflehen .«
    Ich konnte mich gerade noch zurückhalten, über ihre absurde Äußerung zu lachen. Sie konnte nichts dafür. So war sie geschrieben.
    »Geh jetzt«, sagte ich mit ruhiger Stimme, »geh nach Hause.«
    Es schien sie zu überraschen, dass ich nicht mehr wütend war.
    »Wollen Sie mich nicht anschreien oder schlagen oder umbringen oder sonst was? Also, das ist ja überhaupt keine Lösung.«
    »Es ist alles, was du kriegst. Du verstehst mich wirklich überhaupt nicht, oder?«
    Sie funkelte mich kurz an, machte einen Buchsprung und war weg.
    Ich blieb noch ein paar Minuten im Korridor und dachte darüber nach, ob ich etwas hätte anders machen können, mir fiel jedoch nichts ein. Ich traute ihr einfach nicht über den Weg. Dann zuckte ich die Achseln, versuchte GattungsTransferTaxis anzurufen, aber sie antworteten nicht mal. Also sah ich auf die Uhr und ging langsam zu den Fahrstühlen, um nicht zu spät zur Sitzung des Strategiekreises zu kommen.

24.
    Der Strategiekreis
    Der GattungsRat ist die gesetzgebende Gewalt in der BuchWelt und mit allen Aspekten der Regulierung befasst, von wichtigen Abstimmungen im Großen Ratssaal bis zu ganz alltäglichen Geschäften. Dazu gehören unter anderem der Nachschub an Handlungselementen und sogar die Überprüfung der Wortlieferungen aus der TextSee. Der GattungsRat kontrolliert das BuchInspektorat, das bestimmt, welche Bücher veröffentlicht und welche makuliert werden, und er kontrolliert auch die TextZentrale und Jurisfiktion, indem er politische Vorgaben macht. Im Großen und Ganzen sind seine Mitglieder unvoreingenommen, müssen jedoch überwacht werden, und hier komme ich ins Spiel.
    Ich ging weder unmittelbar zur Jurisfiktion noch zum GattungsRat, sondern unternahm erst einmal einen stillen Spaziergang in Wainwrights Pictorial Guide to the Lakeland Fells. Ich gehe oft dorthin, wenn ich in nachdenklicher Stimmung bin, und obwohl die Skizzen, die ich erklomm, nicht so schön oder so bunt wie die Wirklichkeit waren, wirkten sie auf mich friedlich und freundlich, durchdrungen von einer Liebe zu den Bergen im Lake District, die kaum jemand sonst erreicht oder übertrifft. Ich setzte mich in die Zeichnung des warmen Grases auf dem Gipfel des Haystack, warf einen Kieselstein in den Bergsee und betrachtete die kleinen Wellen, wie sie immer größere konzentrische Kreise bildeten. Sehr erfrischt kehrte ich eine Stunde später zurück.
    Thursday5 wartete bei den Sitzgelegenheiten an dem großen Fenster auf mich, von wo aus man die Türme der anderen Bibliotheken sehen kann. Sie stand auf, als ich kam.
    »Es tut mir leid«, sagte sie.
    »Warum?«, erwiderte ich. »Es war nicht

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