Irische Küsse
Begleitung ihres Vaters, die sich angeregt unterhielten.
„Bei Gott, hätte ich nur eine Wette auf Ewan gesetzt.“ Der Earl bedachte Bevan mit einem anerkennenden Blick. „Dein Bruder hat große Fortschritte gemacht, seit er bei mir in Pflege war. Ich wusste, dass ihm normannische Ausbildung gut tut.“
„Irische Ausbildung“, korrigierte Bevan seinen Schwiegervater.
Longford schmunzelte. „Ich wusste, dass du das sagst. Jedenfalls ist ein tüchtiger Kämpfer aus ihm geworden, und ich denke, er wird der jungen Katherine ein ausgezeichneter Gefährte sein. Es wäre gewiss in deinem Sinn, wenn die beiden bald heiraten, damit du zu Genevieve zurückkehren kannst, hab ich recht?“
„Wenn es Ewans Wunsch ist.“
„Es gibt noch andere Bewerber um Katherines Hand“, meldete Nicholas sich zu Wort. „Aber vielleicht zieht er eine Heirat mit meiner älteren Tochter Honora in Betracht.“
Honoras Wangen glühten vor Empörung. Ihr Vater verschacherte sie wie einen Trostpreis auf dem Jahrmarkt.
Sie umklammerte den Griff ihres Dolches am Gürtel. Wieso regte sie sich eigentlich so auf, statt glücklich für ihre Schwester zu sein? Sie wollte Ewan gewiss nicht heiraten, genauso wenig wie er sie.
Am liebsten wäre sie dem Turnierplatz entflohen und hätte Zuflucht in der Waffenkammer oder in den Ställen gesucht. Ihre unsichere Zukunft machte ihr große Sorgen. Seit ihr Vater ihr befohlen hatte, sich wieder zu verheiraten, konnte sie kaum an etwas anderes denken, sich nicht einmal darauf konzentrieren, den Dieb zu finden. Und außerdem wurde sie das Gefühl nicht los, dass jemand sie beobachtete.
Sie entschuldigte sich und sagte, sie wolle sich kurz die Beine vertreten.
„Bleib nicht zu lange“, warnte Nicholas. „Der Schwertkampf ist die letzte Disziplin, und ich erwarte deine Anwesenheit.“
Der strenge Blick ihres Vaters ließ sie wissen, dass er keine Ausflüchte duldete. Manchmal fragte sie sich, ob er von ihren heimlichen Schwertübungen wusste. Sie hatte zwar stets sorgsam darauf geachtet, ihr Geheimnis zu wahren, aber zuweilen erschien ihr sein Blick allzu wissend.
Sie versprach, gleich wieder da zu sein. Während sie hinter den Zuschauern an der Umzäunung entlangeilte, trat Sir Ademar ihr entgegen.
„Mylady“, grüßte er mit einer Verbeugung.
Sie musste den Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht zu sehen. Von beachtlicher Körpergröße, mit hellblondem Haar und blauen Augen war er der typische Normanne. Sir Ademar war ein tüchtiger Kämpfer und hatte bereits viele Gegner besiegt. Allerdings war er ein verschlossener, in sich gekehrter Mann, der nicht viel redete.
„Sir Ademar.“ Honora erwiderte seine Worte mit einem Kopfnicken und wollte an ihm vorbei.
„Darf ich …?“ Er stockte, als müsse er seine Gedanken sammeln. „D…darf ich Euch einen Moment sprechen, Lady Honora?“
Sein Gesicht rötete sich bei seinem Stottern, aber er zwang sich, fortzufahren: „Euer V…Vater sagt mir, dass I…Ihr Euch w…wieder verheiraten wollt.“
Keineswegs, wollte sie antworten, sagte jedoch: „Es ist sein Wunsch, ja. Ich bin noch unschlüssig, ob es auch mein Wunsch ist.“
„I…ich würde m…mich sehr geehrt fühlen, wenn Ihr m…mich als möglichen Gemahl in Betracht zieht.“ Sir Ademar richtete den Blick verlegen auf seine Stiefelspitzen. Honora wusste nicht, ob er vor Aufregung stotterte oder ob er stets Schwierigkeiten beim Sprechen hatte. Wie auch immer, er war der erste Mann, der Interesse an ihr bekundete.
„Ihr schmeichelt mir“, entgegnete sie verblüfft. „Aber bewerbt Ihr Euch nicht um die Gunst meiner Schwester?“
Er machte ein verdrießliches Gesicht und lächelte verlegen. „Ich fürchte, sie … sie würde einen Mann wie mich nicht erhören.“
Honora war sich dessen nicht so sicher. Andererseits schien Katherine großen Gefallen an Ewan MacEgan zu finden, also hatte Sir Ademar vermutlich recht. Ein Anflug von Mitleid für den tollpatschigen Riesen ergriff sie.
Obgleich sie eigentlich nicht wusste, wieso sie es tat, löste Honora ein blaues Band aus ihrem Haar und reichte es ihm. „Hier. Nehmt das, wenn Ihr zum Schwertkampf antretet.“
Sir Ademar befestigte das Band am Ärmel seines Kettenhemdes. Ein verwundertes Lächeln umspielte seine Lippen, als könne er nicht glauben, dass sie ihn damit ehrte.
Honora konnte es selbst kaum glauben. Aber irgendwie rührte sie seine unbeholfene Art.
„Gebe Gott, dass i…ich im nächsten Wettkampf siege.“
Der
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