Irische Küsse
umwölkte sich. „Aber ich werde sie heiraten.“
Honora widmete sich wieder dem Unkraut und bemühte sich, seinen Worten keine Bedeutung beizumessen. Sie durften ihr nichts bedeuten. Ewan brauchte Katherines Mitgift in Éireann. Sein Entschluss hatte praktische Beweggründe, und er würde ihrer Schwester ein ehrbarer Ehemann sein.
„Es wird eine gute Ehe sein“, sagte sie und schluckte gegen den schmerzhaften Knoten in ihrer Kehle an. „Ich wünsche Euch beiden viel Glück.“
Er blickte ihr tief in die Augen, als könne er ihren Schutzpanzer durchdringen. „Du belügst mich.“
„Wieso sollte ich?“, entgegnete Honora gereizt. „Meine Schwester kann dir geben, was du dir wünschst. Sie besitzt Ländereien, sie ist schön, und sie wird dir eine wunderbare Gefährtin sein.“
Im Gegensatz zu mir. Völlig unerwartet und grundlos stiegen ihr Tränen in die Augen. Honora riss an den wilden Gewächsen, als wolle sie ihren Ärger an dem unschuldigen Kraut auslassen.
Ihre Mutter war gestorben, als sie noch ein kleines Mädchen war. Es hatte niemanden gegeben, der sie an die Hand genommen und auf das Leben vorbereitet hätte. Katherine hingegen hatte, tüchtig wie sie war, bereits in jungen Jahren die Führung des Haushalts unter Anleitung des Burgvogts übernommen. Sie hatte versucht, Honora ein wenig über die damit verbundenen Aufgaben beizubringen, aber das war längst nicht ausreichend gewesen.
„Katherine hat nicht alles, was ich mir wünsche“, widersprach Ewan leise. „Aber ich will mich damit zufriedengeben.“
Seine Worte waren Honora kein Trost. Im Gegenteil, sie durchbohrten ihr Herz wie ein Dolchstich. Sie trocknete sich die Augen am Ärmel ihres Gewandes. „Sag so etwas nicht.“
„Als ich sie küsste, war mir, als würde ich meine kleine Schwester küssen“, fuhr er fort. „Es war nicht annähernd so wie zwischen uns.“
„Warum erzählst du mir das?“ Wollte er ihr nur wehtun? Ewan war seit Langem ihr Freund, sie wollte sich diese Kameradschaft nicht verscherzen.
„Wenn die Umstände anders wären …“
„Sie sind aber nicht anders“, fiel sie ihm ins Wort. Sie wollte nicht glauben, dass er in Erwägung gezogen hätte, sie zur Frau zu nehmen, wenn die Gegebenheiten nicht so wären, wie sie nun aber einmal waren. „Meine Ländereien sind an John of Ceredys gebunden. Ich kann dir nicht den Besitz geben, den du brauchst. Und ich könnte dir nicht die Frau sein, die du dir wünschst.“
„Ich weiß nicht, was dein Ehemann dir angetan hat, dass du so geringschätzig über dich selbst denkst.“ Er schloss seine kräftige Hand um ihre Finger. „Du bist eine begehrenswerte Frau, Honora.“
Nun war Ewan derjenige, der sie belog. Ranulf hatte ihr ständig vorgeworfen, eine gefühlskalte Frau zu sein, unfähig, ihm Vergnügen zu bereiten. Sie hatte im Ehebett ebenso versagt wie in der Haushaltsführung.
Nein, für sie war die Ehe ein Gefängnis, nichts anderes.
Sie packte den Schössling einer Eiche und riss ihn wütend aus dem Kräuterbeet. „Geh zu meiner Schwester.“
Ewan hob ihre freie Hand an seinen Mund, um sich zu verabschieden. Bei der sanften Berührung seiner Lippen durchströmte sie Hitze. „Ich möchte deine Freundschaft nicht verlieren, Honora.“
Sie war zu keiner Antwort fähig, und Ewan zog sich zurück.
Verbissen beschäftigte sie sich weiterhin damit, Unkraut zu jäten, zugleich hing sie aber ihren Gedanken nach.
Ihr Vater erwartete, dass sie sich wieder verheiratete. Sie würde einen der verbliebenen Bewerber wählen müssen, sobald ihre jüngere Schwester ihre Verlobung mit Ewan bekannt gab.
Am liebsten wäre sie aus Ardennes geflohen, um ihre kostbare Freiheit nicht zu verlieren. Aber sie durfte nicht davonrennen, sonst würde ihr Vater Katherine seine Zustimmung zur Heirat mit Ewan verweigern.
Honora wusste sich keinen Rat.
Ihre einzige Hoffnung bestand darin, ihren Vater anzuflehen, sie nicht zu einer zweiten Ehe zu zwingen, vielleicht würde er seine Meinung noch ändern.
Als das Kräuterbeet vom letzten Wildwuchs befreit war, wischte Honora sich die schmutzigen Hände an einem Leinentuch ab und wandte sich ab, um sich zur Burg zu begeben.
Bei Johns Anblick, der sich ihr mit langen Schritten näherte, wäre sie beinahe ins Stolpern geraten. Über seiner burgunderroten Tunika trug er eine schwere Silberkette, um seinen hohen Rang zur Schau zu stellen.
Wie viele seiner Leibeigenen hatten wohl hungern müssen, damit er sich diese Kette leisten
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