Irische Küsse
wollte kein Gefolge, schon aus dem Grund, weil sie mit dem Schwert üben wollte und dabei keiner zusehen durfte. Zudem sehnte sie sich nach Einsamkeit, auch wenn dies ein gefährlicher Wunsch war.
Sie bedachte ihre kleine Schwester mit einem nachsichtigen Lächeln. „Ja, Mutter.“
Der Fluss, der sich durch das Land von Ardennes schlängelte und die Wasserversorgung der Burgbewohner gewährleistete, war durch die Regenfälle der vergangenen Tage über die Ufer getreten.
Ewan ließ den Blick über den Horizont schweifen, auf der Suche nach möglichen Bedrohungen für die einsame Frauengestalt am Wasser.
Katherine hatte ihn aufgesucht und ihm von Honoras Absicht berichtet. „Sie sagte zwar, sie würde einen Soldaten mitnehmen, aber wie ich sie kenne, reitet sie alleine.“
Danach hatte sie ihm von Johns tätlichem Übergriff berichtet, und Ewans Zorn war hochgekocht. Der Schurke hatte sie erneut angegriffen, kurz nachdem er sie im Garten zurückgelassen hatte. Am liebsten hätte er dafür gesorgt, dass Ceredys nie wieder seine Hand gegen eine Frau erhob.
Katherine hatte ihn gebeten, Honora zu folgen. „Ich zähle auf Euch, dass Ihr sie beschützt“, hatte sie gesagt.
Ihr grenzenloses Vertrauen, das er nicht verdiente, weckte Schuldgefühle in ihm. Doch unabhängig von diesen durfte er sie nicht einer neuerlichen Attacke aussetzen.
Das silbrige Band des Flusses glänzte in der Ferne, und er zügelte sein Pferd. Honora stand neben ihrem Zelter und blickte zu einem imaginären Gegner.
Ihr blauer Bliaut war zerknittert, ihr Schleier verrutscht. In der linken Hand hielt sie ein Schwert und vollführte einige Übungsschwünge. Ihr biegsamer Oberkörper bewegte sich anmutig, die Waffe schien eine natürliche Verlängerung ihres Armes zu sein.
Sie schwang sie kraftvoll und mit tödlicher Sicherheit. Nach außen wirkte sie kühl und verschlossen, aber hinter dieser Fassade hatte Ewan mehr als einmal ihre Verletzlichkeit wahrgenommen. Ihre Distanz war eine Maske.
All seine Instinkte geboten ihm, sich von Honora fernzuhalten. Etwas hatte sich zwischen ihnen verändert, was ihn zutiefst beunruhigte. Er war nach Ardennes gekommen, um Lady Katherine zu heiraten. Sie hielt den Schlüssel all dessen in der Hand, was er sich wünschte: eigene Ländereien und eine tüchtige Ehefrau an seiner Seite.
Und dennoch weilten seine Gedanken ständig bei Honora. Erst letzte Nacht war er schweißgebadet aufgewacht. Im Traum hatte sie sich nackt an ihn geschmiegt. Er sehnte sich danach, die Verzückung in ihren Gesichtszügen zu sehen, wenn er ihr Vergnügen bereitete. Er wollte von ihr kosten, wollte ihre Lustschreie hören, wenn er ihren Schoß bis zum Bersten füllte.
Er begehrte sie mehr als alles, was er je in seinem Leben begehrt hatte. Und das Wissen, dass er sie nicht besitzen durfte, bereitete ihm Folterqualen.
Ehen wurden geschlossen, um starke Bündnisse einzugehen und Wohlstand zu mehren, nicht wegen sinnlicher Begierden. Für eine Frau konnte und wollte er nicht alles aufgeben, nicht auf seine Ansprüche verzichten, von denen er ein Leben lang geträumt hatte. Es wäre auch Honora gegenüber nicht fair, denn er hatte ihr nichts zu bieten.
Die Klinge blitzte in der Sonne, bevor sie das Schwert wieder in die Scheide steckte. Sie lehnte die Stirn an den anmutig geschwungenen Hals des Pferdes und umfasste ihr verletztes Handgelenk, vermutlich hatte sie Schmerzen.
Ewan konnte sich nicht länger im Hintergrund halten. Er ritt näher, wohl wissend, dass er ihren Frieden störte.
„Ich weiß, dass du da bist“, rief Honora ihm zu, ohne sich nach ihm umzudrehen. „Katherine schickt dich, nicht wahr?“
Ewan antwortete nicht und band seinen Wallach an einen nahe stehenden Baum. Dann drehte sie sich argwöhnisch um. „Was willst du?“
„Deine Schwester sagte mir, dass du alleine ausgeritten bist.“
„Es ist mein gutes Recht, allein zu sein, wenn mir danach ist.“ Sie sah ihn nicht an und streichelte die Flanken des Pferdes. „Außerdem muss ich üben.“
„Nein. Du wirst nicht noch einmal gegen Ceredys kämpfen.“
Sie bedachte ihn mit einem zornfunkelnden Blick. „Du bist nicht mein Gebieter, MacEgan. Ich werde gegen Ceredys kämpfen. Diese Niederlage lasse ich nicht auf mir sitzen.“
„Ich kämpfe gegen ihn. Und wenn ich mit ihm fertig bin, wird der Schurke nie wieder eine Frau anfassen.“
Mit diesen Worten hob er ihr rechtes Handgelenk und betrachtete prüfend die Schwellung, die sich blau zu
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