Irische Küsse
mit Grauen.
Irgendwann ließ er von ihr ab, und sie sank vor Schmerz in die Knie. Der Sohn ihres einstigen Ehemannes entfernte sich, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen. Nachdem er verschwunden war, ließ Honora ihren Tränen freien Lauf. Sie war wütend und fühlte sich zugleich hilflos.
Stets hatte sie auf ihr Kampfgeschick vertraut, aber er hatte sie tief gedemütigt, hatte ihr ihre Schwäche vor Augen geführt und ihr jedes Selbstvertrauen genommen.
Hatte sie tatsächlich geglaubt, sie könne selbst mit einer Heerschar von Soldaten gegen ihn antreten?
Taumelnd kam Honora auf die Füße und hielt sich ihr stechendes Handgelenk. Dann bückte sie sich, hob ihren Dolch auf und steckte ihn in den Gürtel.
Sie hatte einen schweren Fehler begangen, indem sie John erneut angriff. Das war nicht von der Hand zu weisen. Diesmal würde er sich zweifellos an ihr rächen. Während sie sich mühsam ins Innere der Festung schleppte, kochte der Zorn nur noch hitziger in ihr auf.
Sie musste härter trainieren, musste daran arbeiten, jeden gegnerischen Hieb vorherzusehen. Niemals wieder würde sie sich von ihm zum Opfer machen lassen.
Beim nächsten Mal würde sie ihn besiegen, das schwor sie sich.
10. KAPITEL
„Was ist mit deiner Hand passiert?“, fragte Katherine, als Honora das gemeinsame Schlafgemach betrat.
Honora konnte das geschwollene und gerötete Handgelenk nicht vor ihr verbergen, zögerte indes, die Wahrheit zu sagen. Eine Lüge wäre ihr leicht über die Lippen gekommen, aber es war nicht in ihrem Sinn, dass ihre Schwester sich ein falsches Bild von John machte.
„Ich hatte mit dem Baron of Ceredys eine Auseinandersetzung im Garten“, gestand sie.
„Er hat dich angegriffen.“ Katherines Ton verschärfte sich. „Vater muss davon erfahren.“
„Ich werde es ihm sagen“, versprach Honora, hatte aber nicht die Absicht, es zu tun. Nicholas würde ihr nicht glauben, und selbst wenn, könnte John behaupten, er habe sich nur verteidigt, nachdem sie ihn mit dem Dolch attackiert hatte. Und das entsprach nun einmal den Tatsachen.
Nein, ihr Vater würde Johns Partei ergreifen und sie bestrafen. Es war besser, Schweigen darüber zu bewahren.
„Du behandelst mich immer noch wie ein Kind“, beklagte Katherine sich mit leisem Vorwurf. „Aber ich weiß, dass dir auf Ceredys Schreckliches zugestoßen sein muss, auch wenn du dich weigerst, mit mir darüber zu sprechen.“
„Wenn ich darüber spreche, wird alles nur wieder aufgewühlt.“
„Kehre nicht wieder dorthin zurück“, warnte Katherine. „Wenn John fähig war, dir etwas anzutun, halte ich es nicht für klug, unter seinem Dach zu leben.“
Sie nahm Honoras unverletzte Hand und drückte sie zärtlich. „Du bist so oft um mich beunruhigt, aber diesmal sorge ich mich um dich. Vater hat dich vor die Wahl gestellt, und nun musst du an dich denken. Heirate den Mann, den du dir wünschst.“
„Ich kann nicht“, antwortete Honora mutlos. Und auf den fragenden Blick ihrer Schwester fuhr sie fort: „Ich will kein zweites Mal heiraten. Nicht nach der Ehe, die ich hinter mir habe.“ Sie zog Katherine in die Arme. „Aber sei unbesorgt, ich finde eine Lösung, um die Meinung unseres Vaters zu ändern. Er wird seine Zustimmung zu deiner Heirat mit MacEgan geben, ohne mich zu einer zweiten Ehe zu zwingen.“
„Ich finde, du gibst zu schnell auf“, wandte Katherine ein. „Sir Ademar hat dir einen Antrag gemacht. Er wäre glücklich, dich zur Braut zu nehmen.“
Honora schüttelte den Kopf. Es gab keinen Mann, der sie so akzeptierte wie sie war. Nicht ihr Vater, nicht Ranulf und auch Sir Ademar nicht. Jeder Mann wünschte sich eine gefügige Frau, die sich seinem Willen beugte. Aber sie war im Herzen ein Krieger, auch wenn sie es nicht zeigen durfte.
„Geh und lass dir dein Handgelenk verbinden.“ Katherine schob sie zur Tür. „Ich spreche mit unserem Vater über John.“
„Nein, das ist nicht nötig.“ Honora wollte Katherine nicht in ihren Streit mit Ranulfs Sohn hineinziehen. „Ich möchte lieber zum Fluss reiten. Ich will allein sein, um mich zu sammeln.“ Sie brauchte Zeit zum Nachdenken, musste sich einen Plan zurechtlegen.
In den letzten Tagen hatte es keinen weiteren Hinweis auf den Dieb gegeben. Entweder hatte der Kerl gefunden, was er suchte, oder er hatte aufgegeben.
„Reite nicht ohne Begleitung“, warnte Katherine. „Nimm einen Soldaten mit.“
Honora nickte, hatte aber nicht den Wunsch nach einer Eskorte. Sie
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