Irische Küsse
konnte? Voller Ingrimm stellte sich Honora diese Frage im Stillen.
Laut sagte sie: „Mylord, schön Sie zu sehen.“ Ihre Worte klangen steif und förmlich, zugleich tastete ihre Hand nach dem Dolchgriff. Blutrünstige Gedanken schossen ihr durch den Kopf, zu gern hätte sie ihm das Herz durchbohrt.
„Wollt Ihr mir nicht eine Umarmung zur Begrüßung gewähren, Lady Honora? Oder soll ich Euch Mutter nennen?“
Seine hohntriefende Stimme erzürnte sie nur noch mehr. „Ich bin nicht Eure Mutter.“ Durch ihre Heirat mit seinem Vater bestand zwar eine gesetzlich angeordnete Verwandtschaft zwischen ihnen, die sie jedoch nie anerkannt hatte.
Als Honora an ihm vorbeigehen wollte, stellte er sich ihr in den Weg. Ein gönnerhaftes Lächeln flog über seine Gesichtszüge. „Wie wahr. Ich habe Euch auch nie als Mutter wahrgenommen. Ich sah Euch stets als Braut, die mir zugestanden hätte. Er hat Euch mir weggenommen, wie Ihr wisst.“
War er verrückt geworden? Wieso redete er so mit ihr? „Ich war von Anfang an Eurem Vater versprochen.“
„Aber es war vereinbart, dass wir heiraten. Mein Vater gab mir seine Zusage, und dann brach er sein Wort.“
Davon hatte sie nichts gewusst. Ihre Ehe mit Ranulf war vom ersten Tag an ein Albtraum für sie gewesen, aber sie wollte erst gar nicht daran denken, welche Qualen sie an Johns Seite erlitten hätte.
„Marie sprach von Euch, bevor sie starb“, sagte er.
Honora stutzte bei der Erwähnung seiner Großmutter. Sie war ihre einzige Vertraute auf Ceredys gewesen, eine aufrichtige und treue Freundin. „Was sagte sie denn?“
Er überging ihre Frage. „Ihr habt euch häufig gesehen, nicht wahr?“
„Sie war immer sehr gütig zu mir.“
„Ihr erinnert Euch gewiss an den Rubin, den sie an einer Kette um den Hals trug. Vermutlich hat sie Euch auch von dem Schatz erzählt.“
Plötzlich wurde ihr klar, warum er nach Ardennes gekommen war. Das gierige Funkeln in seinen Augen sprach eine deutliche Sprache.
„Natürlich erinnere ich mich an ihren Rubin.“ Sie sah ihn unverwandt an. „Aber von einem Schatz hat sie nie etwas erwähnt.“
„Dieser Schatz gehört mir. Und er ist verschwunden, zusammen mit dem Rubin.“ Er trat einen Schritt näher, sein Blick wurde drohend. „Und ich denke, Ihr habt ihn gestohlen, als Ihr Ceredys verlassen habt. Und ich denke auch, dass Ihr genau wisst, wo mein Erbe verborgen ist.“
Er versuchte, seine Hand um ihre Taille zu legen, doch Honora bewegte sich von ihm fort und zückte den Dolch. „Ich weiß gar nichts.“
„Ich glaube Euch nicht.“
„Glaubt, was Ihr wollt. Aber ich warne Euch, wenn Ihr mich anfasst, schneide ich Euch die Finger ab.“
Er hob lachend die Hände, alles in gespielter Unterwürfigkeit. „Wie kratzbürstig Ihr seid. Geht Ihr mit allen Verehrern so angriffslustig um?“
„Ich habe keine Verehrer.“
„Euer Vater sagt etwas ganz anderes.“ John umkreiste sie, und Honora hielt den Griff ihres Dolches umfangen.
Johns gleichmütige Miene ließ sie wissen, dass er sich von ihrer Waffe nicht im Geringsten beeindrucken ließ. Ihr Zorn wuchs, und sie wollte ihm beweisen, dass sie eine Gefahr darstellte. Sie war ihm zwar im Schwertkampf unterlegen, aber das machte sie noch längst nicht wehrlos.
„Welchen Bewerber wollt Ihr Euch erwählen? Sir Ademar vielleicht?“ John fuhr fort, sie zu umzingeln. Immer näher drängte er sie an das Kräuterbeet. Honora trat einen Schritt zurück, stieß gegen einen stacheligen Rosmarinstrauch und geriet ins Straucheln. Sie hasste ihn dafür, dass er ihr Angst einjagte, und er weidete sich an ihrer Schwäche.
„Oder wollt Ihr einen anderen in Eurem Bett haben?“ Seine einschmeichelnde Stimme ließ seine eigene verbotene Lüsternheit erkennen. „Einen Mann, der weiß, wie er Euch befeuern kann?“
Sie verlor die Beherrschung. Wer war der Kerl, sie so zu bedrohen? Wie konnte er es wagen, sie in die Ecke zu treiben, als wäre er ihr Herr und Meister?
Blindlings stürzte sie sich auf ihn, den Dolch gegen sein Gesicht gerichtet. Die Spitze der Klinge streifte seine Wange, Blut quoll aus einer Schnittwunde. Er packte sie am Handgelenk und drückte zu, bis sie glaubte, er breche ihr die Knochen. „Das war ein Fehler, Lady Honora“, knurrte er mit gefletschten Zähnen.
Sie biss sich auf die Lippen, um nicht vor Schmerz aufzuschreien. John starrte sie weiterhin finster an und gab ihr zu verstehen, was er ihr antun konnte. Sein kalter, erbarmungsloser Blick erfüllte sie
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