Irische Küsse
sie gesagt hatte.
Wieso? Wieso unterstellte er ihr, sie brauche Wohlstand, um glücklich zu sein? Aber im Grunde hatte er die Frage klar beantwortet. Er war es, der Land und eine repräsentable Burg besitzen wollte, nicht sie.
Nach einer Weile löste er sich von ihr und kleidete sich wieder an. Honora hatte Mühe, Léine und Übergewand anzuziehen, und Ewan half ihr, die Bänder zu verschnüren.
„Du solltest zu Isabel und Patrick zurückkehren“, sagte er und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Ich bleibe hier und will mich um einige Dinge kümmern. Wir sehen uns morgen.“
Er schickte sie einfach weg, so mir nichts, dir nichts. Kein Wort, ob er den Wunsch hatte, sie zu heiraten, ob er sich ein Leben mit ihr vorstellen konnte – nichts. Nur eine vage Zusicherung, dass er beabsichtige, gegen Ceredys zu kämpfen, während sie auf Laochre zu warten hatte. Sollte sie hier am Spinnrad sitzen? Die Fußböden fegen?
Honora verließ seine Behausung ohne ein Wort des Abschieds. Der Weg zur Burg würde ihr guttun und ihren Unmut kühlen. Wütend stapfte sie drauflos, wobei sie aber achtgab, nicht in Kuhfladen zu treten. Heiße Tränen brannten ihr in den Augen. Sie war zornig über Ewans blinden Ehrgeiz, der ihn die Wahrheit nicht erkennen ließ.
Sie sehnte sich nicht nach einem Königreich. Immer hätte sie dann Angst zu versagen, ihre Pflicht nicht zu erfüllen. Es quälte sie schon furchtbar, wenn sie die Leute von Ceredys im Stich ließ. Die Verantwortung für viele Familien zu tragen, ständig in Sorge zu sein, ob sie genug zu essen hatten, um einen strengen Winter zu überdauern, das war nichts für sie.
Ewan war da ganz anders.
Ein schmerzhafter Knoten schnürte ihr die Kehle zu. Sie hatte nicht geahnt, wie wichtig ihm weltlicher Besitz war. Sie konnte ihm das Königreich nicht geben, nach dem er sich sehnte. Ihre Ländereien wurden von John kontrolliert. Sie wollte auch nicht, dass Ewan Jahre seines Lebens mit dem Streben nach Reichtum vergeudete, den er vermutlich nicht einmal bekommen würde.
Was immer er vorhatte, sie würde sich strikt weigern, in Éireann zu bleiben, während er loszog, um ihren Krieg zu führen.
Ihr ging es nicht nur um Rache und Wiedergutmachung. Ihr ging es auch darum, sich zu beweisen, dass sie in der Lage war, gegen ihren Todfeind zu kämpfen und ihn zu besiegen. Es ging ihr darum, ihre Ängste zu bezwingen und ein echter Krieger zu werden.
Sie legte die Hand schützend an die Augen gegen die gleißende Morgensonne und ließ den Blick über Laochre schweifen. In dieser Festung lebten viele Soldaten, kampferprobte Iren, die sich mit dem Stolz von Kriegern bewegten.
Und keiner kannte ihr Geheimnis. Sie hatte sich lange genug versteckt, viel zu lange ihre Fähigkeiten verleugnet. Da war es kein Wunder, dass Ewan sie nicht als ebenbürtig betrachtete, wenn sie sich ständig im Schatten ihres Vaters versteckte, aus Angst vor seinem Tadel.
Sie blieb stehen und holte mehrmals tief Atem. Es war höchste Zeit, das zu ändern.
18. KAPITEL
Auf ihrem Weg durchs Dorf bemerkte Honora die vielen Kinder, die Wilden Salbei, Johanniskraut und Lavendel zu Sträußen banden. Überall lagen hohe Stapel Brennholz und trockenes Reisig herum.
„Für die Sonnwendfeuer morgen Nacht“, erklärte Connor, der ihr entgegenkam und sie ein Stück des Weges begleitete. „Asche und verkohlte Glut bieten Schutz vor Krankheiten und Unheil. Und später springt die Dorfjugend über die glühenden Kohlen, auch das schützt vor Ungemach.“
„Ein gefährlicher Brauch.“ Sie beäugte argwöhnisch die hohen Scheiterhaufen. Ihrer Meinung nach konnte kein Mensch über so hohe Feuer springen, ohne sich die Kleider zu versengen, wenn nicht Schlimmeres.
„Ganz recht. Aber die jungen Leute und die Kinder sind begeistert davon.“ Er verzog das Gesicht. „Allen voran meine Buben.“
„Werden die Kräuter auch verbrannt?“
„Nicht alle. Man hängt die Sträuße über die Türen, das bringt Glück. Ich schenke meiner Frau Aileen jedes Jahr einen Bund Lavendel, den sie aber nicht aufhängt, sondern im Mörser zerreibt und Medizin daraus macht.“
Er nahm eine Handvoll blühenden Lavendel aus einem Korb und reichte ihn Honora. „Bindet einen Strauß daraus, wünscht Euch etwas und werft ihn morgen Nacht ins Feuer.“
Sie bedankte sich für die duftenden Stängel und flocht sie zu einem Zopf. Ihr lagen so viele Wünsche auf dem Herzen, dass sie gar nicht wusste, wo sie beginnen sollte.
Sie schlenderten
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