Irische Liebesträume
nicht nur Feargals eigene Vermutungen waren.
Ellie sah Feargal an und fragte neugierig: “Wusste dein Vater davon? Von Phena?”
“Wie? Ja, natürlich. Er hat sie großgezogen”, sagte er verächtlich. “Sie war zwei Jahre alt, als er meine Mutter heiratete.”
“Ich verstehe. Es kann nicht leicht für sie gewesen sein, für eine junge unverheiratete Mutter, nach Irland zurückzukommen. Vor vierzig Jahren waren die Menschen noch ein bisschen …”
“Strenger in ihren Werturteilen? Ja, das waren sie. Aber Mutter hatte niemandem davon erzählt. Sie kaufte sich einen Ring und gab vor, Witwe zu sein.”
“Glaubten die Leute ihr?”
“Woher soll ich das wissen? Jedenfalls wurde sie auf diese Weise geachtet, und soweit ich weiß, kannte nur mein Vater die Wahrheit, weil sie sie ihm gesagt hatte.”
“Und Phena? Weiß sie Bescheid?”, fragte Ellie.
“Oh ja.” Ein bitteres Lächeln umspielte Feargals Lippen. “Sie weiß es. Sie hat alles Mögliche unternommen, um es herauszufinden. Das ist für uns ein weiteres Problem.”
“Und du willst nicht, dass sie von den Briefen erfährt, weil damit die Vergangenheit aufgewühlt werden würde?”
“Ja.”
Ellie bekam ein schlechtes Gewissen, weil sie, ohne es zu wollen, die ganze Geschichte wieder aufgewärmt hatte, wo doch jeder sie am liebsten für immer vergessen hätte. Sie schob die Überlegungen beiseite, welche Rolle ihr Großvater dabei gespielt haben mochte, und entschuldigte sich. “Es tut mir leid. Und natürlich werde ich nicht darüber sprechen. Mit niemandem.”
“Du tust gut daran.” Er sah sie an, als würde er sich zu einem Entschluss durchringen, und fragte: “Keine Erpressung?”
“Nein, natürlich keine Erpressung.”
“Keine Familienrache?”
“Nein. Warum sollte meine Familie sich an deiner rächen wollen? Sie hat mit der ganzen Sache nichts zu tun. So wenig wie ich. Ich habe die Briefe nur gebracht, weil Großvater mich darum gebeten hatte …”
“Ist es dir kein einziges Mal in den Sinn gekommen, dass du damit Schaden anrichten könntest?”
“Nein”, rechtfertigte sie sich. “Ich wusste nichts von dem Kind. Ich wusste nicht, dass du dachtest …, ich meine, ich habe es für eine harmlose Freundschaft gehalten.”
“Freundschaft?”, fragte Feargal höhnisch. “Freundschaft? Nicht einmal du kannst so naiv sein. Er war alt genug, um ihr Vater sein zu können. Ein verheirateter Mann mit zwei Kindern! Und du hältst das für gut? Dass ein verheirateter Mann ‘freundlich’ ist zu einem siebzehnjährigen, unschuldigen, vertrauensvollen Mädchen, das gerade aus Irland herübergekommen ist? Dass er sie verführt? Oder war sie deshalb Freiwild für ihn?”
“Nein. Und das hat er auch nicht getan”, bestritt sie heftig.
“Dann haben sie das Kind wohl unter einem Stachelbeerstrauch gefunden.”
“Red keinen Unsinn. Bis jetzt hast du mir immer noch nicht geantwortet. Hat deine Mutter behauptet, dass Großvater Phenas Vater sei?”
“Ja.”
Ja? Oh Gott! Was jetzt? Sollte sie seine Mutter als Lügnerin überführen? Ihm sagen, dass es unmöglich so gewesen sein konnte? Noch mehr Ärger verursachen? Was hätte Großvater jetzt getan? Sie ließ sich erschöpft gegen die Wand sinken und sagte müde: “Von all dem weiß ich nichts. Wie sollte ich auch, da Großvater nie mit mir darüber gesprochen hat?”
“Dann will ich es dir sagen. Er hat sie benutzt, verstoßen, sie ausbezahlt und nach Irland zurückgeschickt. Das ist die Wahrheit, Ellie. Keine romantische Episode. Keine überwältigende Liebesbeziehung. Verführung, schlicht und einfach.”
“Nein”, wehrte sie ab. “Oh Feargal, nein. So war Großvater nicht.”
“Du glaubst, er hätte sie geliebt?”, stieß er angeekelt hervor. “Und sei dann zu dem Schluss gekommen, dass er nicht gut genug für sie wäre? Meinst du, er hätte den stolzen Helden gespielt und sie mit genug Geld in der Tasche nach Hause geschickt, damit sie einen neuen Anfang machen konnte?”
“Ich weiß es nicht.”
“Oh doch, Ellie, du weißt es”, sagte er ruhig. “Und ich kann auch nicht glauben, dass die Briefe irgendeinem anderen Zweck gedient haben sollen. Solltest du wirklich so ein berechnendes kleines Biest sein, das nur darauf aus ist, den anderen Leid zuzufügen?”
“Um Himmels willen, warum sollte ich jemandem Leid zufügen wollen? Noch dazu Menschen, die ich gar nicht kenne.”
“Weil es eine Möglichkeit wäre, an Geld heranzukommen. Und Geld brauchst du doch,
Weitere Kostenlose Bücher