Iron Man - Von Black Sabbath bis Heaven & Hell
KGB-Beamte begleiteten uns die ganze Zeit über und ließen keinen der Musiker aus dem Auge. Wahrscheinlich hatten die sogar unsere Zimmer verwanzt. Die Telefonanlage war so alt, dass man ein Gespräch erst anmelden musste. Das Zimmer wirkte trotz der Größe deprimierend, denn bis auf ein Bett und einer Vitrine, aus der jeden Tag eine Porzellantasse verschwand, gab es keinerlei Mobiliar. Offensichtlich klauten die Zimmermädchen die Tassen, aber natürlich wurde das mir das angehängt.
Diebe schienen dort regelmäßig ein- und auszugehen. Unter dem Balkon lagen mehrere Kreditkarten, die sie wohl weggeworfen hatten, als sie die nicht mehr gebrauchen konnten. Sogar unsere Crew wurde beklaut. Zwei Roadies teilten sich ein Zimmer. Einer von ihnen zog sich aus und ging früh zu Bett. Er hörte jemanden hereinkommen und dachte, es wäre sein Kollege. Er war es aber nicht. Der Dieb griff sich in aller Seelenruhe die Klamotten und die Brieftasche.
Im Anschluss an die Auftritte in Moskau spielten Sabbath zehn Tage in Leningrad, wo wir auf ein Publikum trafen, dass eher an westliche Zuschauer erinnerte und bis zum Bühnenrand heran durfte. Es war eine wirklich gute Erfahrung.
Dann begann unser Beutezug, bei dem sich besonders Cozy als Schlitzohr vor dem Herrn erwies. Er freundete sich mit dem Manager des Olympiastadions an, in dessen Büro riesige Mengen Kaviar lagerten, die er in handbemalten Antiquitätentruhen aufbewahrte. Wir schenkten ihm einige T-Shirts, Sneakers und Merchandise-Kram. Die Russen liebten Shirts mit aufgedrucktem Bandnamen, und so schmuggelte Cozy nach den Gigs einen ganzen Koffer voller Beluga-Kaviar durch den Zoll. Gott weiß, wie viel der wert war.
Ich hatte mir dämliche Uniformen, Militärmützen und sonstige Militaria beschafft. Doch als ich nach Hause kam, wusste ich nicht, was ich mit dem Zeug anstellen sollte. Nun lagern sie auf dem Dachboden. Aber ich brachte ebenfalls genügend Kaviar mit, der lange Zeit auf meinem Speiseplan stand.
In Russland gehörte Kaviar zu unseren Grundnahrungsmitteln. Scheinbar gab es kaum etwas anderes. Als wir zum ersten Mal im Hotel aßen, ergab sich folgender Dialog:
„Was möchten Sie bestellen?“
„Hätten Sie vielleicht…?“
„Nein.“
„Oder…?“
„Nein.“
„Und wie wäre es mit…?“
„Nein.“
„Oder vielleicht…?“
„Nein.“
„Und was können Sie uns anbieten?“
„Eiscreme.“
„Eiscreme?“
Sehr merkwürdig.
„Ja, bitte. Das nehmen wir.“
Wir schmachteten meist bis zum Gig, wo es endlich etwas Nahrhaftes gab. Wenn uns jemand Kaviar anbot, erhielt er immer die gleiche Antwort: „Oh nein, nicht schon wieder Kaviar!“
Die Europa-Tournee lief gut, in Deutschland waren die Gigs sensationell und in Russland feierte die Band regelrechte Triumphe. Ausverkaufte Konzerte und ein Album, das sich gut verkauft – was wollte ich mehr? Wir hatten endlich eine schwere Hürde genommen.
Zum ersten Mal seit Jahren spürte ich wieder, wie das Leben pulsierte.
68: TYR
Um unser nächstes Album TYR zu produzieren, buchten Cozy und ich im Februar 1990 wieder die Woodcray Studios. Da Tony bei Headless Cross gerade erst in die Band eingestiegen war und annahm, dass die Texte von Black Sabbath den Teufel thematisieren, hatte er sich beim Schreiben daran orientiert.
Wir fanden das viel zu offensichtlich und rieten ihm, subtilere Texte zu schreiben. Bei TYR handeln die Texte von nordischen Göttern und mythologischen Gestalten. Ich brauchte einige Zeit, um die ganzen Aussagen zu kapieren.
Von allen Tracks der Scheibe gefällt mir „Anno Mundi“ am besten. Der Song beginnt mit einem Chor, der in Latein singt. Dieses Stück und „The Sabbath Stones“ sind energiereiche, langsame, harte und hämmernde Tracks, die mir gut liegen, da ich hier meine Riffs optimal zur Geltung bringen kann.
Zu der Ballade „Feels Good To Me“ drehten wir ein Video. Es erzählt die Geschichte von einer Biker-Mieze, die eine kurze Affäre mit einem Muskelmann hat, der sie später betrügt. In die Story wurden Aufnahmen der Band eingestreut. Der Clip war aber viel zu kitschig für Black Sabbath und rückte die Gruppe in ein falsches Licht.
TYR ist im Zusammenhang mit Headless Cross zu sehen, ähnlich wie die Alben Mob Rules und Heaven And Hell . Allerdings klingt TYR deutlich härter als die vorhergehenden Alben. Ich unterscheide bei der Musik von Black Sabbath die Zeit mit Ozzy von der mit Ronnie. Die beiden aktuellen Alben gehören für mich zu einer
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