Iron Witch
»reden wir nie wieder über diese Sache. Über nichts, was passiert ist. Verstehst du? Ich möchte meine Ergebnisse so lange nicht mit Simon teilen, bis ich mir wirklich sicher bin.«
Simon? Simon Gaunt? Er war der Partner von Quentin Frost – sie waren schon seit vielen Jahren ein Paar, zumindest solange Donna denken konnte – und er war auch der offizielle Sekretär des Ordens, Quentins rechte Hand sozusagen. Beim Namen Simon Gaunt bekam sie Gänsehaut, und wenn sie ehrlich war, erschreckte es Donna zutiefst, dass es zwischen ihm und Maker Geheimnisse gab.
Sie wusste nicht genau, was hier los war, aber es schien, als ob Maker gewillt war, Navin zu vergessen, solange sie nichts über den Waldelf in seiner Werkstatt ausplauderte. Zumindest für den Moment. Das war eine Vereinbarung, mit der sie leben konnte.
Trotzdem lief hier irgendwas richtig schief. Wo war Maker hergekommen? Sie waren doch überall in der Werkstatt und im Flur gewesen, aber sie hatten ihn nirgendwo finden können. Hatte er sie reinkommen sehen? Außerdem war es sehr seltsam, dass Maker wegen Navin nicht richtig wütend war, wo doch das Hüten von Geheimnissen für den Orden oberste Priorität hatte. Andererseits war es vielleicht ein Geschenk, dass Maker oh-so-vernünftig auf Navs Anwesenheit reagiert hatte. Sie sollte es vielleicht nicht so eilig haben, in der Sache weiter herumzustochern.
Was wäre, wenn sie Makers Bitte abschlagen und Tante Paige erzählen würde, was passiert war? Was, wenn sie damit alles nur noch schlimmer machen würde? Donna wollte nicht den Eindruck erwecken, als hätte sie Maker nachspioniert, und, wichtiger noch, keiner sollte wissen, was sie vermutete, nämlich dass in Makers Werkstatt etwas Furchtbares passiert war. Vor allem, weil ihr Maker vorher noch nie einen Grund geliefert hatte, schlecht über ihn zu denken. Schon bei dem Gedanken daran, Tante Paige zu erzählen, dass Navin einem Waldelf begegnet war, wurde ihr schlecht. Es gab kein Zurück – nicht für sie und ganz sicher nicht für Navin.
Sie sah Schweißperlen auf Makers Gesicht. Er musste erschöpft sein, nachdem er sich allein um den Dunklen Elf gekümmert hatte, obwohl er, wie Donna wusste, zaubern konnte. In der Alchemie – der wahren Magie – ging es um Transformation. Es war eine völlig andere Form der Macht als diese lächerlichen Darstellungen, die man sonst in Filmen sah. Man schwang nicht einfach einen Zauberstab und sprach dazu ein paar Worte; in echter Zauberei steckte eine Menge Arbeit. Es erforderte sorgfältige Vorbereitung und die Einhaltung strenger Rituale. Maker sagte immer: »Magie ist Handwerk«, und Donna hatte es nie so richtig verstanden, bis sie zum ersten Mal seine Werkstatt sah.
Sie stand auf und lächelte den alten Alchemisten leicht angespannt an.
»Dann gehen wir dir mal aus dem Weg. Mach dir keine Sorgen, ich werde kein einziges Wort darüber verlieren – und Navin auch nicht.« Sie schaute ihn fragend an. »Stimmt’s?«
Navin lehnte mit verschränkten Armen an der Wand und hatte den Dialog verfolgt. Er lieferte nicht gerade seine beste Vorstellung im Sinne von total harmlos und vertrauenswürdig.
Donna hätte beinahe gelächelt, trotz der Anspannung. Er war ein erbärmlicher Schauspieler.
»Hä?«, antwortete er.
»Nav, ich sagte, du wirst schweigen wie ein Grab, richtig?«
»Korrekt«, stimmte er zu und nickte so fest, dass sie befürchtete, sein Kopf könnte abfallen. »Ich sag kein Wort. Niemals. Ich werde es mit ins Grab nehmen und –«
»Nav?«, unterbrach Donna ihn.
»Was?«
»Halt die Klappe.«
»Bin schon ruhig.« Er tat so, als ob er einen Reißverschluss über seinen Mund ziehen würde, einen imaginären Schlüssel im Schloss umdrehen und diesen dann über seine Schulter werfen würde.
Donna rollte die Augen und wünschte sich, sie müsste ihm nicht alles erzählen, was sie so lange vor ihm verborgen hatte. Die Wahrheit war wie ein rutschiger Abhang, einmal ausgesprochen, konnte man schnell ins Schlittern geraten. Obwohl sie eigentlich nicht an die Kraft des Gebets glaubte – sie hatte ihren Glauben verloren, als ihr Vater starb und ihre Mutter krank wurde –, würde sie jetzt so gut wie alles versuchen. Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter und betete, dass die Offenbarung ihrer Geheimnisse sich nicht als der größte Fehler ihres Lebens entpuppen würde.
Sie betete auch, dass Navin ihr nicht die Freundschaft kündigen würde, wenn er die ganze dunkle und komplizierte Wahrheit
Weitere Kostenlose Bücher