Iron Witch
mehr schwer, das alles zu vergessen. Schließlich hatte sie eine Verabredung mit dem geheimnisvollen Mr. Grayson. Donna beobachtete Xan, als er zu ihrem Tisch kam und dabei unsicher zwei dampfende Tassen Kaffee und Muffins auf einem blauen Plastiktablett balancierte. Und wieder einmal konnte sie kaum glauben, welcher Film hier gerade ablief und vor allem, mit wem sie hier abhing. Sie bemerkte zwei Mädchen an einem Nachbartisch, die ihrem zweifellos gut aussehenden Begleiter heimliche Blicke zuwarfen und dann miteinander tuschelten. Kinder , dachte sie. Sie bemerkte die Ironie und musste lächeln. Führte sie sich denn nicht genauso auf?
»Also.« Xan zog seinen Mantel aus und legte ihn über die Lehne der Couch. »Gemütlich hier in der Ecke, oder?« Er setzte sich neben Donna, und fast hätte sein Oberschenkel den ihren berührt, als er es sich bequem machte.
Wie machen Jungs das bloß, dass sie immer den Eindruck erwecken, sie könnten mit sich und dem Rest der Welt so locker umgehen? Sie wurde ständig von Situationen überwältigt, und es fiel ihr unendlich schwer, ihre Gefühle zu verbergen. Tante Paige hatte ihr einmal vorgeworfen, sie »trage ihr Herz auf der Zunge«, und Donna fragte sich oft, was daran eigentlich so falsch war.
Xan nahm einen Schluck Kaffee. »Es tut mir leid wegen gestern Abend und wie es für dich ausgesehen haben muss. Die ganze Sache mit dem Hemd, meine ich.« Er schüttelte den Kopf mit einem schiefen Grinsen. »Ich bin bestimmt rübergekommen wie ein Irrer.«
»Da ich irgendwie mit Irren aufgewachsen bin, ist es okay.« Donna brach kleine Stücke ihres Muffins ab, aß sie aber nicht. »Ich kann mir nicht einmal annähernd vorstellen, was du durchgemacht hast. Wie du … du weißt schon … sie verloren hast.«
»Kannst du nicht?« Xans Augen glühten. »Nach dem, was du mir gezeigt hast, denke ich, dass du es nur zu gut verstehst.«
Sie starrte auf die Tischplatte und wusste nicht, was sie darauf antworten sollte.
Xan legte zögernd seine Hand auf ihren smaragdgrünen Handschuh. Als sie die Handschuhe heute Morgen vor der Schule angezogen hatte, hatte die Farbe sie an seine Augen erinnert.
Er räusperte sich unsicher. »Kann ich sie noch mal sehen?«
Sie schaute sich in dem überfüllten Kaffeehaus um. »Hier?«
»Hier.«
Donna war selbst überrascht. Sie atmete tief durch, schaute Xan direkt in die Augen und behielt ihre Hände und Arme unten, um sie vor den anderen Gästen zu verbergen. Dann streifte sie ganz langsam die wunderschönen Handschuhe ab und rollte die Ärmel ihres Pullovers hoch. Sie schaute sich nervös um; sie hatte ihre Handschuhe seit Jahren nicht mehr in der Öffentlichkeit ausgezogen. Die Tätowierungen waren so fremdartig , dass sie sich immer vor den Reaktionen der anderen fürchtete. Und sie hatte ganz sicher keine Lust, alles zu erklären – es würde eh keiner glauben, dass es sich nur um einfache Tattoos handelte.
Aber hier, neben ihr, saß jemand, der wusste, wie sie sich fühlte. Xan berührte zärtlich ihr Handgelenk.
Doch mit einem Mal erschreckte er sich und zuckte zurück.
»Was ist passiert?« Donna riss die Augen auf.
Xan zuckte mit den Schultern und brachte ein halbherziges Lächeln zustande. »Es ist okay. Ich hatte nur vergessen, welche Wirkung Eisen auf mich hat. Es ist schon so lange her.«
Donna errötete und versuchte, sich zu entschuldigen, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken. Ich kann das alles nicht glauben , dachte sie. Da treffe ich endlich einen Jungen, den ich mag, und er ist allergisch auf mich.
»Es ist echt alles in Ordnung«, versuchte Xan sie zu beruhigen und legte seine Hand über ihre. »Siehst du? Es war nur ein kurzer Moment – du musst pures Eisen in deinen Händen haben. Eins-a-Eisen.«
»Aber ja doch, ich leuchte quasi im Dunkeln von dem Zeug.« Bitterkeit lag in Donnas Stimme.
»Ich bin halb menschlich, also bin ich daran gewöhnt in einer Welt aus lauter Eisen zu leben. Es ist nur das harte Zeug, mit dem ich so meine Schwierigkeiten habe.« Er bemerkte ihren verzweifelten Gesichtsausdruck und grinste spontan. »Hey, mach dir keine Gedanken. Man sagt doch, Gegensätze ziehen sich an, oder nicht?«
Seine Berührung ermutigte Donna und sie lächelte. Sie war einfach enttäuscht, weil er seine Hand zurückzog.
»Tun sie dir weh?«, wollte Xan wissen.
»Nicht immer«, gab sie zu. »Manchmal tun sie weh, und seit Kurzem habe ich diese stechenden Schmerzen.« Sie sagte ihm nicht, dass die Schmerzen
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