Iron Witch
flirrte und schien sich zu verdichten. Einen Augenblick lang umgab sie völlige Dunkelheit. Es war eine eigenartige Dunkelheit, die sie förmlich in sich spüren konnte. Der durchdringende Geruch von Verwesung, süß und klebrig wie brauner Sirup, stieg ihr in die Nase.
Dann kehrte ein dämmriges Licht zurück, und zwischen den dicht gedrängten Bäumen tauchte ein neuer Pfad auf. Der Weg sah verwunschen aus, wie aus einem Märchen, und verlief durch eine von Bäumen gesäumte Allee. Die Baumkronen über ihren Köpfen waren ineinander verwachsen und bildeten so ein Dach aus Blättern – eine Art lebendiger Tunnel war das. Donna drehte sich zu Xan um und überlegte, ob sie die Erde und Zweige jetzt loslassen könnte.
Zu ihrer Erleichterung ließ auch er das Bündel auf den Boden fallen. Sie klopfte den Dreck aus ihren Handschuhen und schaute sich den Durchgang genauer an. »Also, ich dachte, du hast keine magischen Fähigkeiten.«
Verlegen schaute er weg. »Na ja, das war nicht wirklich Magie – ich hab bloß eine Tür in die Anderswelt geöffnet. Es gibt viele davon. Du musst nur wissen, wo du suchen musst.«
Er ging auf den Tunnel zu. »Bringen wir’s hinter uns.«
Donna fiel auf, wie blass er plötzlich war. Konnte sie es ihm verübeln? Nach allem, was ihm die Elfen angetan hatten und er durch sie verloren hatte, war er doch gewillt, noch einmal in ihr Reich einzudringen. Sie war sich sicher, das tat er nur für sie. Sie kämpfte gegen ihre große Angst an und versuchte, nicht an die albtraumhafte Kreatur zu denken, die sie damals so schwer verletzt hatte. Das Waldmonster, wie sie es in ihren Träumen nannte. Den Skriker.
Xan griff wieder nach ihrer Hand, er zog Donna mit sich, und dann betraten sie beide den geheimen Weg – den Alten Pfad. Als Donna ihren Fuß auf das Bett aus Piniennadeln setzte, hatte sie das Gefühl, als wäre sie durch eine Membrane gelaufen, eine Haut, dünn wie Pergament, unsichtbar, aber auf jeden Fall vorhanden. In Donnas Ohren knackste es, als sie sich hindurchdrückten, um dann den Weg weiter entlangzulaufen, der unter den gewölbten Baumkronen wie ein Tunnel vor ihnen lag. Sie vernahm ein Flüstern, das von allen Seiten zu kommen schien.
Bei dem Gedanken daran, beobachtet zu werden, lief es ihr eiskalt den Rücken herunter, und sie versuchte das schreckliche Gefühl zu unterdrücken. Sie konzentrierte sich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Ich darf nur an Navin denken , ermahnte sie sich nachdrücklich. Aus diesem Grund bin ich hier . Schuldgefühle überkamen sie, sie hatte Schmerzen in der Brust und konnte nicht richtig atmen: Die Elfen hatten sich ihren Freund nur geholt, weil sie es auf sie abgesehen hatten. Da war sie sich ganz sicher.
Jetzt musste sie nur noch herausfinden, warum.
Fünfzehn
E s war, als ob sie durch einen dunklen Korridor laufen würden. Donna hielt Xans Hand so fest sie konnte, ohne sie ihm dabei zu brechen. Sie war tatsächlich hier, im Elfenland, und stapfte über Berge von toten Blättern, mit einem halbmenschlichen Typ neben sich, den sie erst vor ein paar Tagen kennengelernt hatte. Das hier war der letzte noch verbliebene Zufluchtsort der Waldelfen, und alles fühlte sich erschreckend echt an.
Sie erreichten eine Lichtung, und Donna war sich sicher, dass diese größer sein würde als die vorherige. Ihr Atem stockte, und durch eine Lücke im dichten Baumkronendach traf ein Sonnenstrahl auf ihre Haut. Als sie sich der Öffnung näherten, verschwand die Sonne wieder, und kurz darauf befanden sie sich erneut in fast völliger Dunkelheit. Donna beschleunigte ihr Tempo. Sie wollte unbedingt schnell die Lichtung erreichen – um dem beklemmenden Gefühl zu entkommen, von all diesen Bäumen erdrückt zu werden.
Als sie den Tunnel endlich verließen, bemühte sich Donna kontrolliert weiter zu atmen. Dann sah sie sich die Kreaturen auf der Lichtung genauer an, alle waren sie ihr wohlbekannt. In den wechselnden Schatten der schwankenden Äste sahen sie noch verzerrter und grotesker aus. Xan drückte ihre Hand, und sie klammerte sich daran fest, als hinge ihr Leben davon ab. Sie wagte es nicht, ihn anzusehen.
Diese Lichtung ähnelte jener aus ihren Träumen, nur der Baumstumpf fehlte. Stattdessen stand da ein geschnitzter Holzstuhl, grob gezimmert, aber auf seltsame Weise wunderschön, mit zerklüfteten Kanten, die an etwas Lebendiges erinnerten. Es war eine Art Thron, geschmückt mit Efeu und anderen Kletterranken. Um den Thron herum auf
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