Iron Witch
war es erst gestern? Angestrengt versuchte Donna sich zu erinnern. Es hätte genauso gut letztes Jahr sein können.
Falls der Brutschrank wirklich etwas von der Prima Materia enthielt, dann hatte sie großen Ärger am Hals. Niemand außer dem Alchemisten, der sie gefunden hatte, durfte sie sehen, geschweige denn berühren. Das war Donna schon immer ein bisschen albern vorgekommen. Im Grunde genommen war es nicht möglich, Erste Materie zu erschaffen; als einer der Bausteine der Realität war sie einfach … vorhanden . Wie konnte sie also irgendjemandem gehören?
Nun ja , dachte Donna. Zu spät für Reue.
Der Kasten war vollständig versiegelt, und es war nicht ersichtlich, wie man ihn öffnen konnte. Donna wusste aber, dass der Kasten unter der Kupferummantelung aus Holz bestand. Je natürlicher, desto besser. Es würde sie nicht überraschen, wenn das Holz aus dem Wald von Ironwood stammte. Sie wartete ab und lauschte, was in dem anderen Raum vor sich ging. Sie hörte das Klirren von Glas und ein lautes Brummen – anscheinend war Slow Henrys Tür geöffnet worden.
Sie hob den Brutschrank auf und fragte sich, warum in aller Welt Simon ein Stück des Universums in seinem Labor gebunkert hatte.
Unter Xans Blicken zerdrückte sie den Kasten zwischen ihren Händen, als ob sie ein Blatt Papier zusammenknüllen würde. Das Holz unter der Kupferhülle zersplitterte, und ihr Herz hämmerte so laut, dass sie sich sicher war, dass es sogar das Geräusch der Kohle, die in den Ofen geschaufelt wurde, übertönte.
Einen Moment lang hielt sie die Luft an und starrte in Xans grüne Augen, aber nichts passierte. Dann fing sie an, die zerbrochenen Teile des Deckels vom eingerissen Boden des Brutschranks zu entfernen.
Es überraschte Donna nicht, dass eine Handvoll schwarzer Erde auf den Altar fiel, denn die Brutschränke wurden immer mit Erde gefüllt. Doch mit einem Mal fielen ihr schier die Augen aus dem Kopf. Halb begraben in der dunklen Erde erblickte sie ein glänzendes Glasfläschchen.
Als sie es vorsichtig aus dem zerbrochenen Kasten herausnahm, pochte ihr Herz so sehr, dass sie es bis hoch zum Hals spürte.
Das Fläschchen war noch heil. Es war ungefähr so groß wie ihr kleiner Finger, und ganz unten befanden sich nicht mehr als zwei oder drei Tropfen einer blutroten Flüssigkeit.
Xan schaute sie an, und sie atmeten beide erleichtert auf. Er schüttelte den Kopf und lächelte nervös. »Das war knapp«, flüsterte er. »Du hättest es kaputt machen können.«
Donna war übel. Sie hätte beinahe ihre einzige Chance vertan, Navin zu retten.
Zum Glück war nichts passiert, und auf einmal hielt sie etwas in Händen, das angeblich neues Leben erschaffen, alle Krankheiten heilen und sogar Unsterblichkeit verleihen konnte. Sie starrte die schimmernde, rubinrote Flüssigkeit an und schwenkte die wenigen wertvollen Tropfen hin und her.
Das Elixier des verdammten Lebens, genau hier in Simons Labor. Von wegen Prima Materia. Wahrscheinlich war die Erde im Brutschrank auch nicht das, was sie sein sollte, sondern nur herkömmlicher Dreck aus dem Garten, der den wahren Inhalt des Kastens verbergen sollte. Donna holte tief Luft, kramte in ihren Taschen und zog den kleinen Beutel, in dem sie das Armband ihrer Mutter verwahrt hatte, heraus. Sie ließ das Fläschchen hineinfallen und schob das kleine Bündel so tief es ging in ihre Manteltasche.
Sie konnte es nicht glauben. Sie hatte es geschafft. Den ultimativen Preis in die Hände zu bekommen, war das eine; jetzt mussten sie noch heil hier rauskommen. Navin und Makers Leben hingen davon ab, dass sie das Elixier den Waldelfen brachte.
Konnte sie ihnen wirklich etwas so Wertvolles überlassen?
Nebenan wurde die Tür des Athanors zugeschlagen. Es schepperte so laut, dass es bis in das kleine Zimmer zu hören war. Simon war anscheinend damit fertig, Slow Henry wieder aufzufüllen. Donna stupste Xan und zog seinen Kopf zu sich, um ihm ins Ohr zu flüstern. »Vielleicht ist das alles, was er machen wollte.« Ihre Gesichter berührten sich beinahe.
Xan nickte. »Stimmt. Jemand muss ihn ja am Laufen halten, wenn er das ganze Jahr über brennt.«
Langsam entfernten sich die Schritte. Donna vermutete, dass sie sich auf die Tür zubewegten. Bitte , betete sie, bitte lass ihn endlich verschwinden .
Die schwere Tür schlug zu.
»Jetzt!«, flüsterte sie eindringlich. »Wir müssen hier raus.«
»Warte, lass ihn erst mal weiter den Gang runtergehen«, sagte Xan irritiert. Er wehrte
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