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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nach seiner Hand und hielt sie fest, bevor sie antwortete. »Nicht mit dieser speziellen Klinik, aber ich kenne solche Einrichtungen. Hierher bringt man die, die niemand mehr haben will. Sie haben das Loch gesehen, in das sie mich gesteckt haben? Das sind keine Krankenzimmer, sondern Gefängniszellen!«
    Eingedenk dessen, was ich schon mit Allison Carter erlebt hatte, hätte ich es besser wissen müssen, aber ich sagte trotzdem sehr behutsam: »Das hier ist auch kein normales Krankenhaus, Allison, sondern eine Nervenklinik. Manche der Patienten sind gefährlich.«
    »Zumindest die, die man noch nicht ruhiggestellt hat, um sie vor sich selbst zu schützen oder zu beruhigen, nicht wahr?«
    Ich hütete mich, darauf zu antworten, und erteilte mir sogar im Gegenteil selbst in Gedanken einen scharfen Verweis. Was hatte ich erwartet? Obwohl wir uns vor gerade einmal vier Tagen das erste Mal begegnet waren, sollte ich Allison doch nun schon gut genug kennen, um zu wissen, dass man diese Art von Gespräch besser nicht mit ihr führte. Ich hatte sie nicht nach ihrem Alter gefragt und würde es auch ganz gewiss nicht tun, war aber mittlerweile zu dem Schluss gekommen, dass sie ein gutes Stück älter sein musste, als ich bislang angenommen hatte. Aber in dieser erwachsenen und sehr klugen Frau gab es zugleich auch immer noch das Mädchen, das die Welt nach selbst aufgestellten Kriterien in Gut und Böse aufgeteilt hatte und gnadenlos darüber richtete; und auch keinerlei Schattierungen dazwischen zuließ.
    Das war nicht meine Sicht der Dinge. Um mich nicht in sinnlose Diskussionen darüber zu verstricken, wandte ich mich wieder dem bewusstlosen Jungen zu. Die Augäpfel hinter seinen geschlossenen Lidern begannen sich hektischer zu bewegen und kündigten wohl einen neuen Albtraum an. Ich streckte die Hand aus, um nach seinem Puls zu tasten, und kaum hatte ich ihn berührt, da fühlte ich eine tiefe Verbundenheit zwischen uns, beinahe so, als kannten und vertrauten wir uns schon ein Leben lang. Und das war nicht alles. Das Gefühl verging so schnell, dass es praktisch schon wieder vorbei war, noch bevor ich erschrocken zurückprallte, doch für diesen einen, fast zeitlosen Moment war es, als wüsste ich alles über ihn, jede Erinnerung, jedes Gefühl, jeden Gedanken, den er in seinem kurzen Leben gedacht hatte, so als hätte ich dieses Leben tatsächlich selbst gelebt.
    Kaum hatte ich den Jungen wieder losgelassen, da war alles weg, wie eine einzelne Erinnerung, die so weit verblasst war, dass nur noch das Wissen um ihre bloße Existenz zurückblieb, nicht aber ihr Inhalt.
    »Quinn?« Allisons Stimme klang alarmiert.
    »Es ist alles in Ordnung«, sagte ich hastig genug, um dieser Behauptung jedwede Glaubwürdigkeit zu nehmen. »Ich war nur …«
    Ich hob die Schultern, einfach nur um Zeit zu gewinnen, und rettete mich schließlich in ein verlegenes Lächeln. Ob dasselbe wohl auch geschah, wenn ich ihre Hand berührte? »Der Junge tut mir einfach nur leid. Er hat noch gar nicht richtig angefangen zu leben, und schon ist es vorbei. Und sein einziges Verbrechen bestand darin, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein. Verzeihen Sie.«
    »Aber wofür entschuldigen Sie sich denn?«, wunderte sich Allison. »Dass Ihnen dieser arme Junge leidtut?«
    »Ich kannte ihn ja praktisch gar nicht.«
    »Deswegen bleibt er doch ein Mensch, oder? Ein halbes Kind sogar noch, wenn man es genau nimmt. Sie sollten sich nicht dafür entschuldigen, dass Ihnen sein Tod nahegeht. Im Gegenteil. So etwas unterscheidet Sie wohltuend von Männern wie Adler, und …« Sie unterbrach sich, legte den Kopf auf die Seite und fuhr in verändertem Ton fort: »Sie geben sich doch nicht etwa die Schuld an dem, was ihm zugestoßen ist?«
    »Natürlich nicht«, sagte ich hastig.
    »Das will ich auch hoffen!«
    »Andererseits wäre ihm vielleicht gar nichts zugestoßen, wenn ich mich nicht in Dinge eingemischt hätte, die mich nichts angehen.«
    »Und der arme Busche, dem Adler in den Kopf geschossen hat, wäre vermutlich auch noch am Leben, wenn Sie und ich nicht in die Bahn gestiegen wären, nicht wahr?«, fragte Allison grimmig. »Quinn Devlin, hören Sie sofort auf, solch einen Unsinn zu reden! Machen Sie noch eine Minute so weiter, und Sie geben sich noch die Schuld an dem, was mit Stanley passiert ist!«
    Sie stand mit einem Ruck auf und drehte sich mit einer nicht minder heftigen Bewegung zur Tür. »Und jetzt gehen wir zu Doktor Watson. Ich werde ihn

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