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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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räusperte sich unbehaglich. »Doktor Watson hat mich informiert, dass Sie nur leichte Verletzungen davongetragen haben, und ich bin froh zu sehen, dass sie bereits verheilt zu sein scheinen.«
    »Ich auch, Captain«, versicherte Allison.
    »Ja, das … ähm … freut mich. Aber deshalb bin ich nicht hier. Devlin?«
    »Captain?«
    »Doktor Watson hat mich gebeten, Sie zu holen«, sagte Adler, der anders als ich nicht einmal daran dachte, diskret wegzusehen, sondern Allison ganz und gar schamlos anstarrte. »Es geht um den Jungen. Ich glaube, Sie kennen ihn.«
    »Chip? Was ist mit ihm?«
    »Er stirbt«, sagte Adler.
    Allison starrte ihn an und ließ vor Schrecken ihren Rocksaum los, der raschelnd wieder nach unten glitt. Auch ich benötigte eine geschlagene Sekunde, um zu begreifen, dass Adler sich keineswegs einen seiner geschmacklosen Scherze erlaubte, sondern es bitterernst meinte. Dann aber war ich so schnell auf den Beinen und an ihm vorbei auf dem Flur, dass er sich gerade noch mit einem hastigen Schritt in Sicherheit bringen konnte, um nicht über den Haufen gerannt zu werden.
    »Der Junge ist in …«, begann Adler.
    Es war unnötig, dass er seinen Satz beendete. Die Tür von Chips sogenanntem Krankenzimmer stand auf, und da es sich nur wenige Schritte entfernt befand, stürmte ich bereits hinein, noch bevor Allison ihre Zelle überhaupt verlassen hatte. Watson drehte sich erschrocken zu mir um, als ich hinter ihn trat und auf das Bett hinabstarrte, auf dem Chip um sein Leben kämpfte.
    »Dem Jungen geht es nicht gut?«, polterte ich los, ohne ihm auch nur die Chance für irgendetwas gegeben zu haben. »Was soll das heißen? Was ist mit ihm?«
    »Ich fürchte, es geht zu Ende. Aber ich weiß einfach nicht, warum«, sagte Watson. »Ich bin vielleicht nicht der beste Arzt der Welt, aber ich habe hier schon weit Schlimmeres gesehen. Wir haben seine Verletzungen versorgt und ihm ein Stärkungsmittel gegeben, aber es hat bisher keine Wirkung gezeigt.«
    »Aber was hat er?«, fragte Allison. Natürlich hatte Adler versucht, sie daran zu hindern, uns zu folgen, und ebenso natürlich war es ihm nicht gelungen.
    »Das weiß ich nicht«, gestand Watson. »Oder so ziemlich alles, suchen Sie sich aus, was Ihnen weniger Angst macht.« Übergroßes Einfühlungsvermögen schien nicht seine Stärke zu sein.
    Ich gab Allison mit einer stummen Geste zu verstehen, was ich davon hielt, verzichtete aber darüber hinaus darauf, Watson in die Schranken zu verweisen. Ich wusste noch nicht genau, was ich von ihm halten sollte. Dass er Adler so ganz offensichtlich nicht leiden konnte, machte ihn zu einer Art Verbündeten, aber das bedeutete nicht, dass er mein Freund war. Wahrscheinlich tat ich gut daran, niemanden als Freund zu betrachten, der in dieser sonderbaren Klinik arbeitete.
    Während Allison eines ihrer typischen Wortgefechte mit Watson begann, ließ ich mich auf den niedrigen Schemel neben dem Bett des Jungen sinken.
    Ich war kein Arzt, doch das musste ich auch nicht sein, um zu sehen, dass der arme Junge im Sterben lag. Er schlief oder befand sich im Griff einer tiefen Bewusstlosigkeit, und mir war klar, dass er nicht mehr daraus erwachen würde. Sein Atem ging so flach, dass man schon genau hinsehen musste, um ihn überhaupt zu bemerken, und seine Gesichtsfarbe hob sich kaum noch von den weißen Laken ab, auf denen er lag.
    Auch er unterschied sich auf so furchtbare Art von dem vorwitzigen Jungen, den ich vor wenigen Tagen kennengelernt hatte, dass es mir fast schwerfiel, ihn überhaupt anzusehen. Er war nicht nur auf dieselbe schreckliche Art abgemagert wie alle anderen, sondern wirkte auf eine so endgültige Art ausgezehrt, dass er kaum noch etwas Menschenähnliches hatte.
    Ich verstand plötzlich, was Watson gerade gemeint hatte, auch wenn ich es ebenso wenig in Worte hätte fassen können. »Ist er noch einmal wach geworden, oder hat er etwas gesagt?«
    »Ich bin nicht sicher«, antwortete Watson, sein Geplänkel mit Allison auf der Stelle unterbrechend. »Er hat ein paar Worte hervorgestoßen, aber das war nur Kauderwelsch.«
    »Er redet im Fieber«, vermutete Adler.
    »Wohl eher im Schlaf«, antwortete Watson.
    »Er hat Albträume?«, vergewisserte sich Allison.
    Ich sah stirnrunzelnd zu ihr hoch. Sie sah mit einem Male sehr aufmerksam aus, fast mehr erschrocken als besorgt. Aber warum?
    »Sein Puls ist erhöht«, erwiderte Watson, als hätte er Allisons Frage gar nicht gehört, »aber seine übrigen

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