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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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war alles umsonst, und der Junge stirbt vielleicht.«
    »Ich fürchte, damit hat er recht«, sagte Watson betrübt. »Aber noch eine oder zwei Minuten mehr …«
    Und wir bringen ihn ebenfalls um, beendete ich den Satz in Gedanken, als Watson es nicht laut tat. Der Junge wimmerte jetzt nur noch, statt zu schreien, und seine Glieder zuckten, als erlitte er Krämpfe oder einen elektrischen Schlag nach dem anderen. Noch immer quoll Blut aus seiner Haut, wenn auch nicht mehr so heftig wie kurz zuvor. Funken tanzten über die Kupferstäbe, die sein Bett an allen vier Eckpunkten flankierten, und die Luft stank plötzlich durchdringend nach Ozon.
    »Hören Sie auf, um Gottes willen!«, keuchte ich. »Sie bringen ihn um!« Ich musste an mein eigenes schreckliches Erlebnis mit Nikolas Magnetmaschine denken, und meine Fantasie versagte vor der Aufgabe, sich vorzustellen, was Chip gespürt haben musste, um so zu reagieren. Ein weiterer, dieses Mal sehr viel näherer Donner erscholl, und nun griff Nikola endlich nach dem Schalter und drehte ihn zurück. Chip wimmerte noch einmal, rollte sich auf der Seite zusammen und begann zu weinen.
    Ich wollte an sein Bett treten, doch Watson schob mich grob aus dem Weg, beugte sich über den wimmernden Jungen und fing an, ihn mit kundigen Bewegungen zu untersuchen.
    Ich sah über die Schulter zurück, als ich Schritte hörte, doch es war nicht Allison, sondern Mulligan, der zurückkam und eine braune Glasflasche so sorglos in der Hand balancierte, dass mir eingedenk ihres Inhalts ein kalter Schauer über den Rücken lief. Allison selbst war bis zur anderen Wand zurückgewichen und hatte die Hand vor den Mund geschlagen, wie um einen Schrei zu unterdrücken.
    »Er lebt«, sagte Watson. Kam es mir nur so vor, oder klang er überrascht? »Mulligan, stehen Sie nicht rum und halten Maulaffen feil, sondern kommen Sie her und helfen Sie mir! Alle anderen raus hier!«
    Mulligan schob mich unsanft aus dem Weg, und ich trat widerstrebend rücklings aus der Zelle hinaus und wandte mich dann wieder zu Allison um.
    Fast wünschte ich mir, ich hätte es nicht getan.
    Allison hatte die Hand vor den Mund geschlagen, aber nicht, um einen Schrei ob des Schrecklichen zu unterdrücken, das Chip widerfahren war, wie ich vermutet hatte. Jedenfalls nicht nur.
    Auch Allisons Gesicht und ihr Handrücken waren voller Blut. Nicht annähernd so viel, wie es bei Chip der Fall gewesen war, doch ihre Haut war mit Hunderten winziger roter Punkte gesprenkelt, wie die schlimme Version von Sommersprossen, und der gerade noch blütenweiße Verband an ihrem Hals hatte sich schon wieder zur Hälfte rot gefärbt.
    »Großer Gott, Allison!«, entfuhr es mir. »Ist …«
    »Alles in Ordnung«, unterbrach sie mich auf eine Art, die das genaue Gegenteil bewies.
    »Das sieht aber nicht so aus«, sagte ich. »Sie bluten!«
    »Das ist nichts«, behauptete Allison. »Ich war wohl … noch nicht weit genug entfernt. Selbst schuld.«
    »Ja, sicher«, grummelte ich und schrie fast: »Doktor! Schnell!«
    Beinahe schon zu meiner Überraschung sah Watson nicht nur von Chips Krankenbett auf, sondern kam auch mit drei schnellen Schritten zu uns heraus. Ungefragt griff er nach Allisons Hand und betrachtete sie knapp im schwachen Licht des Korridors, bevor er sich ihrem Gesicht zuwandte. Allison versuchte sich loszumachen, allerdings ohne sonderlich viel Kraft.
    »Wie fühlen Sie sich?«, fragte Watson. »Ist Ihnen übel? Schwindelgefühl? Herzrasen?«
    »Ja, ja und ja«, antwortete Allison. »Aber das ist nicht so schlimm.«
    »Und das ist gelogen, junge Dame«, sagte Watson, »und nicht einmal besonders überzeugend. Aber der Junge braucht meine Hilfe jetzt dringender, fürchte ich.«
    »Wie geht es ihm?«
    »Erstaunlicherweise ist er noch am Leben«, antwortete Watson, »und damit das auch so bleibt, muss ich mich zuerst um ihn kümmern. Mulligan wird Sie in mein Büro bringen. Bitte warten Sie dort auf mich. Und reden Sie mit niemandem.«
    »Wir finden schon selbst dorthin«, behauptete ich, doch Watson drehte sich bereits um und eilte zu Chip zurück. »Selbst wenn das so wäre«, stieß er hervor, »haben Sie immer noch keinen Schlüssel. Mulligan!«
    Mulligan, und in seinem Schlepptau auch Nikola, traten zu uns heraus. Nikola fuhr ein bisschen zusammen, als er Allisons blutiges Gesicht und Hände sah und senkte dann hastig den Blick, während es Mulligan entweder gar nicht auffiel, oder er solche und schlimmere Anblicke gewöhnt war.
    Auch

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