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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zur Kenntnis, so überrascht, wie ich Allison anstarrte, denn das Flackern, auch wenn es nur den Bruchteil eines Lidschlags gewährt hatte, erzeugte einen durch und durch unheimlichen Effekt auf ihrem Gesicht. Schatten und Helligkeit wurden zu krassen Unterschieden aus völliger Schwärze und absoluter Heftigkeit, in der es keine Struktur und keine Tiefe mehr gab. Dennoch konnte ich deutlich sehen, wie sich etwas unter ihrer Haut bewegte. Vielleicht war es auch die Haut, die sich über etwas anderem bewegte, als hätten die einzelnen Bestandteile ihres Körpers ganz plötzlich entschieden, nicht mehr zueinanderzupassen und die Nähe der anderen zu meiden.
    Der gespenstische Effekt erlosch schon nach einem einzigen Augenblick, und mein Verstand machte mir klar, dass ich nur einem Trugbild aufgesessen war, bei dem das Flackerlicht des Gewitters und meine eigene Furcht gemeinsame Sache machten, um mich noch ein bisschen mehr zu quälen. Aber das nahm dem Moment nichts von seinem Schrecken. Mein Herz klopfte so hart, dass es fast wehtat, und ich starrte Allison aus aufgerissenen Augen an, für endlose Augenblicke nicht einmal in der Lage zu denken.
    »Sie sollten sich mit Nikola zusammentun, Doktor«, sagte Allison, sich nur ganz leicht auf ihrem Stuhl herumdrehend. »Er glaubt auch immer noch, die ganze Welt mit Logik und mathematischen Formeln erklären zu können. Selbst nach allem, was er erlebt hat.«
    »Und Sie halten das für falsch?«, erkundigte sich Watson. Die Vorstellung schien ihn zu amüsieren. Er ging um den Schreibtisch herum, der einen Großteil des vorhandenen Platzes beanspruchte, machte Anstalten, sich zu setzen, und kam dann noch einmal zurück. Ohne gefragt zu haben, entfernte er den Verband von Allisons Hals und untersuchte dann auch noch ihr Gesicht und ihre Hände. Was er sah, schien ihn zufriedenzustellen, denn er nickte nur, setzte sich ohne ein weiteres Wort und führte seinen unterbrochenen Gedanken fort, als wäre nur ein Atemzug vergangen und nicht mehrere Minuten.
    »Ich widerspreche einer Dame wirklich ungern, Miss Carter, aber ich fürchte dennoch, dass Ihr Freund recht hat. Die Welt ist logisch, und man kann sie durchaus in Formeln der Mathematik und durch die Gesetze der Natur erklären. Wenn es uns manchmal so vorkommt, als wäre das nicht so und es gäbe Unerklärliches oder gar Übernatürliches, dann liegt das einzig daran, dass wir all diese Regeln und Gesetze noch lange nicht verstehen.«
    Allison wirkte ein bisschen irritiert, und auch mir erging es nicht viel besser. Aber etwas warnte mich auch davor, diese Art von Diskussion mit Watson zu führen.
    »Ich kann Sie beruhigen, Miss Carter«, fuhr Watson mit veränderter Stimme fort. »Ihre Verletzungen – wenn man sie denn überhaupt so nennen will – sind allerhöchstens oberflächlicher Natur. Es wird nichts zurückbleiben, was Ihrer Schönheit Abbruch tut.«
    In Allisons Augen blitzte es kurz und zornig auf, doch sie ging nicht weiter auf diese Bemerkung ein. »Wie geht es Chip?«, fragte sie.
    »Dem Jungen?« Watson schüttelte den Kopf, zog eine Schublade auf und entnahm ihr mit bedächtigen Bewegungen sämtliche Utensilien, um sich eine Pfeife zu stopfen. »Sein Zustand ist durchaus ernst, aber zugleich erstaunlich stabil. Mit etwas Glück wird er überleben. Ich bin noch nicht ganz sicher, ob Ihr Freund ihm nun das Leben gerettet oder ihm nur auf ganz besonders aufwendige Art den Todesstoß versetzt hat.«
    Er riss ein Streichholz an, nahm einen langen, genießerischen Zug aus seiner Pfeife und sah sie durch den bläulichen Rauch nachdenklich an. »Ich werde Ihren Freund dennoch bitten müssen, seine Konstruktion noch einmal zu überarbeiten, bevor ich ihm gestatte, es an einem weiteren Menschen auszuprobieren.«
    Wieder flackerte das weiße Licht eines Blitzes herein und erzeugte denselben unheimlichen Effekt auf Allisons Gesicht. Sie wartete ab, bis das Grollen des dazugehörigen Donners verklungen war, bevor sie antwortete. »Was bringt Sie auf den Gedanken, dass Nikola sich irgendetwas verbieten lassen würde, Doktor?«
    »Vielleicht der Umstand, dass ich dieses Institut leite und Sie und Ihre Freunde hier nur Gäste sind?«, gab Watson lächelnd zurück. »Gern gesehene Gäste, aber trotzdem Gäste.«
    »Sie meinen Gefangene«, warf ich bissig ein.
    »Das sind Sie nicht«, behauptete Watson.
    »Weshalb ja auch alle Türen abgeschlossen sind, die nach draußen führen«, schnaubte Allison.
    »Aber das sind sie hier

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