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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ins Gesicht.
    Der Anblick war nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Allison hatte das Blut von ihrem Gesicht und ihren Händen gewaschen, und ich sah keinerlei Verletzungen, nur eine leichte Rötung ihrer Haut, als hätte sie sich einen Sonnenbrand zugezogen.
    »Auch wenn es vermutlich eine dumme Frage ist«, begann ich unbeholfen, »aber wie fühlen Sie sich?«
    »Sie haben recht«, sagte Allison. »Es ist eine dumme Frage. Sie wissen doch sicherlich selbst am besten, wie es sich anfühlt: als würde man von innen nach außen gestülpt.«
    Das entsprach auf so verblüffende Weise dem, was ich vorhin unten in Nikolas Büro gedacht hatte, dass ich gar nicht anders konnte, als sie zwei oder drei Sekunden lang einfach nur anzustarren – was Allison natürlich vollkommen falsch verstand.
    »Ich nehme an, bei Ihnen war es deutlich schlimmer«, vermutete sie.
    »Ich habe nicht geblutet«, gab ich zu bedenken.
    »Nikola hat gesagt, er hätte die Spannung erhöht«, sagte Allison. »Ich hätte besser auf ihn hören und einen entsprechenden Sicherheitsabstand einhalten sollen. Außerdem …«
    »Außerdem?«
    »Nichts«, sagte Allison. »Ich bin noch ein bisschen durcheinander. Es war ein … ungewöhnliches Erlebnis.«
    Bevor ich nachhaken konnte, machte sie eine rasche Handbewegung. »Glauben Sie, dass der Junge überlebt?«
    »Chip?« Ich hob die Schultern. »Ich hoffe es. Es täte mir sehr leid, wenn er es nicht schaffen würde.«
    »Weil Sie ihn mögen.«
    Das war lächerlich – ich kannte diesen kleinen Straßenjungen ja praktisch gar nicht –, aber ich ertappte mich dabei, trotzdem zu nicken, und Allison fuhr fort: »Ich auch.«
    »Sie auch … was ?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort eigentlich kannte.
    »Ich mag ihn auch«, sagte sie. »Und ich habe ihn noch nie zuvor gesehen. Ist das nicht eigenartig?«
    »Das alles hier ist eigenartig …«, antwortete ich ausweichend. »Wir haben einige wirklich aufregende Stunden hinter uns, Allison. Wir sind fast getötet worden. Sie wurden verletzt …«
    »Genau wie Sie.«
    »… und wir sind alle sehr aufgeregt und nervös und deuten so manches vielleicht falsch, das sich bei genauerem Hinsehen als vollkommen harmlos herausstellen mag.«
    Allison legte den Kopf auf die Seite. »Jetzt hören Sie sich an wie Ihr Freund Adler.«
    »Adler ist nicht mein Freund!«, empörte ich mich.
    »Ich weiß«, antwortete Allison. »Aber Sie klingen so. Sie wissen genau, wovon ich rede, oder?«
    »Tue ich das?«
    Jetzt wirkte Allison leicht verärgert. Aber nur einen Herzschlag lang, dann lächelte sie wieder, und ihre Stimme und ihr Blick wurden weich. »Ich konnte ihn spüren, Quinn«, sagte sie. »Als Nikola seinen Magneten eingeschaltet hat, da konnte ich ihn spüren. Nicht nur seinen Schmerz, sondern …«
    Sie stockte, und ich sagte: »Alles.«
    Allison nickte. »Ja. Ich weiß, wie verrückt sich das anhört, aber ganz kurz hatte ich das Gefühl …«
    »Alles über ihn zu wissen. Er zu sein.«
    »Und es war blitzschnell wieder vorbei«, bestätigte Allison. »Sie haben es also auch gespürt.«
    »Es war unheimlich«, bestätigte ich. »Aber wie gesagt: Wir haben ein paar erschreckende Dinge erlebt, und …«
    Ich sprach nicht weiter, als sich Allisons Lächeln abermals änderte und zu etwas wurde, das ich nicht genau deuten konnte. »Oh, Quinn«, seufzte sie. »Sie können einfach nicht aus Ihrer Haut, habe ich recht?«
    »Wer kann das schon«, fragte ich in dem vergeblichen Versuch, scherzhaft zu klingen, »wenigstens in der heutigen Zeit?«
    »Sie waren Polizist«, sagte Allison. »Ein sehr guter Polizist, wie ich gehört habe.«
    »Von wem? Adler?«
    Allison ignorierte das. »Sie können einfach nicht anders, nicht wahr?«, fragte sie noch einmal, und das war nicht alles. Ihre Hand bewegte sich über den Tisch und legte sich auf meine Finger. Die Berührung war elektrisierend. »Sie müssen alles analysieren und logisch betrachten und auf seine Schlüssigkeit abklopfen und …«
    »Und was spricht dagegen, genau das zu tun, junge Dame?«, fragte Watson von der Tür her.
    Wenn es so etwas wie eine lenkende Macht des Schicksals gibt, dachte ich spöttisch (oder wenn man es genau nahm, eher hysterisch), dann muss sie über einen ganz besonderen Sinn für schwarzen Humor verfügen; denn genau in diesem Moment flammte ein greller Blitz am Himmel über dem Institut auf, gefolgt von einem krachenden Donnerschlag, der die Fensterscheiben klirren ließ. Ich nahm ihn nicht einmal

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