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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hinlänglich bekannten grafitgrauen Staub.
    Mulligan nahm mir die Laterne wieder ab, aber es war eine rein mechanische Handlung, derer er sich vermutlich nicht einmal bewusst war. Ich hingegen war nicht nur äußerst dankbar, sondern konnte mich gerade noch beherrschen, meine schmerzenden Finger nicht in der stinkenden Brühe neben uns zu kühlen.
    Mulligan schlug erneut das Kreuzzeichen und versuchte vergeblich, seinen Blick von dem verheerten Körper vor uns zu lösen, an dem kaum noch etwas Menschenähnliches war.
    »Was … was bedeutet das, Inspektor?«, wimmerte er. »Sagen Sie es mir!«
    »Das weiß ich nicht«, log ich. »Und hören Sie endlich auf, mich Inspektor zu nennen. Der bin ich schon lange nicht mehr. Mein Name ist Devlin. Oder Quinn, was Ihnen lieber ist.«
    Mulligan starrte weiter dergestalt auf den leblosen Körper hinab, dass ich sicher war, dass er meine Worte nicht gehört hatte. Fast beiläufig registrierte ich, dass die neuerlichen Verletzungen, die das sterbende Netz der Toten zugefügt hatte, nicht mehr bluteten.
    »Aber das ist doch …«, stammelte Mulligan. »Das kann doch gar nicht … ich meine …«
    Ich hob die Hand, um ihn zu unterbrechen, denn ich hatte etwas gehört. Ich meinte auch etwas gesehen zu haben, aber meine Augen tränten noch immer, und nach allem, was ich gerade erlebt hatte, traute ich meinen Sinnen ohnehin nicht mehr. Dennoch stand ich auf, bedeutete Mulligan mit einer entsprechenden Geste, seine improvisierte Waffe wieder an sich zu nehmen und mir zu folgen. Mein Herz klopfte wie wild. Die Stellen an und in meinem Körper aufzuzählen, die nicht schmerzten, wäre deutlich schneller gegangen als all meine Blessuren, und ich hatte furchtbare Angst. Ich wollte nichts mehr, als endlich hier heraus, doch nun, als ich den ersten Schock und die Erleichterung, Allison nicht tot auf dem Boden vorgefunden zu haben, erst einmal verarbeitet hatte, erinnerte ich mich auch wieder daran, warum ich überhaupt hier heruntergekommen war. Allison war irgendwo hier unten, und ich musste sie finden, ganz egal, was es mich kostete.
    Dieser Gedanke gab mir die Kraft, ein wenig schneller auszuschreiten (wenigstens redete ich mir das ein), und kurz darauf hörte ich etwas. Unmöglich zu sagen, was, aber es war ein Laut, der nicht in diese Umgebung passte, so morbide sie auch sein mochte. Kurz darauf sah ich auch etwas, wenngleich für diese Beobachtung dasselbe zutraf wie für die Geräusche: Da war etwas, das war alles, Details konnte ich nicht ausmachen.
    Doch das reichte mir, um die Verfolgung entschlossen aufzunehmen. Ich sah nicht einmal zurück, um mich davon zu überzeugen, ob Mulligan mir folgte, aber schon kurz darauf hörte ich seine Schritte. Er rief auch etwas, auf das ich aber nicht achtete. Geräusche und schattenhaft blitzende Bewegung entfernten sich weiter, aber niemals so schnell, dass ich sie ganz verloren hätte. Schließlich hörten die Geräusche auf, die ich mittlerweile als sonderbar arhythmische Schritte zu identifizieren glaubte. Ein anderer, noch weit seltsamerer Laut nahm ihre Stelle ein, den ich noch viel weniger einzuordnen vermochte, der mir aber dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – einen eisigen Schauer über den Rücken jagte.
    Ich ging etwas langsamer, damit Mulligan zu mir aufschließen konnte. Schließlich hatte er die Lampe, und mir fiel erst jetzt auf, dass das unheimliche grüne Leuchten erloschen war, das uns hier heruntergelockt hatte. Unverzüglich wollte ich wieder schneller gehen, doch Mulligan legte mir seine gewaltige Pranke auf die Schulter und hielt mich mit einer Kraft fest, die mir schon wieder die Tränen in die Augen schießen ließ.
    »Sie sagen mir jetzt, was hier los ist, Devlin«, drohte er, »oder …«
    »Oder?«, unterbrach ich ihn, beinahe im Flüsterton, aber mit fester Stimme und seinem Blick standhaltend. Sein Zorn war nur Ausdruck seiner Furcht (was mehr oder weniger auch für mich galt, nur dass ich sehr wenig Zorn in mir fand, der mir hätte Halt bieten können). Ich spürte etwas Warmes an der Wange; das besudelte Ende seiner improvisierten Keule, die er aus dem Leib der toten Frau gezogen hatte. Es fiel mir schwer, aber ich kämpfte meinen Ekel nieder und widerstand dem Impuls, seine Hand wegzuschlagen.
    Wie ich es erwartet hatte, erlosch die Wut in Mulligans Augen genauso schnell, wie sie gekommen war, und er nahm die Hand von selbst herunter und trat sogar unsicher einen Schritt zurück. »Was, beim heiligen

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