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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Hand packte er Mulligan an der Kehle, riss ihn ohne die geringste Mühe von den Füßen und warf ihn wuchtig genug gegen das Gitter hinter uns, um ihn augenblicklich das Bewusstsein verlieren zu lassen.
    Als sich mein Blick wieder halbwegs klärte, stand Allison über mir und sah aus Augen auf mich herab, in denen ein fremder Wille keine Gefühle zuließ. Der Mann, der Mulligan niedergeschlagen hatte, stand halb hinter ihr, und ich wartete darauf, dass er mich töten würde, bis mein Verstand mir klarmachte, dass ich diesen Gedanken gar nicht mehr hätte haben können, wenn das tatsächlich seine Absicht gewesen wäre. Ich suchte Allisons Blick – oder den Blick des Geschöpfes, das in ihrer Gestalt vor mir stand.
    »Allison …«, murmelte ich.
    »Lass es gut sein, Quinn Devlin«, sagte Allison mit einer Stimme, die nicht ihre eigene war – nicht einmal mehr die eines Menschen. »Versucht nicht, uns zu folgen, dann geschieht auch niemandem etwas.«
    Obwohl halb wahnsinnig vor Angst um sie und von Schmerzen geplagt stemmte ich mich an der Wand hoch und streckte den Arm aus, um sie zu berühren, was sie aber nicht zuließ. »Was habt ihr mit Allison gemacht?«, flüsterte ich. »Und mit den anderen? Was habt ihr mit ihnen vor?«
    »Du hast nichts zu befürchten, Quinn Devlin«, antwortete Allison. »Deinen Freunden wird nichts geschehen. Wir tun niemandem etwas zuleide, denn wir sind niemandes Feind. Aber wir werden uns verteidigen, wenn man uns dazu zwingt. Geh zurück zu deinen Freunden, Quinn Devlin, und sag ihnen das.«
    Ich wollte etwas darauf erwidern, doch nun beugte sich ihr Begleiter vor. Und diesmal beließ er es nicht bei einem drohenden Blick.



22

    Ich hatte nicht wirklich das Bewusstsein verloren, aber für die nächsten zehn Minuten (die mir wie eine Stunde vorkamen), wünschte ich mir fast, es wäre so gewesen. Bis heute erinnere ich mich nicht wirklich daran, wie Mulligan, der aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht war, mich wieder durch den Schacht und die schier endlose Treppe nach oben geschafft hat. Ich redete mir mit einigem Erfolg ein, dass er sich einfach meinen Arm um den Stiernacken gelegt und mich halb gestützt und halb neben sich hergeschleift hatte, aber die Wahrheit war wohl viel simpler (und ein bisschen entwürdigend): Er hatte mich wohl schlichtweg getragen, worauf allein der frische – und beunruhigend große – Blutfleck auf seiner linken Schulter hinwies. Strenggenommen war es ein glatter Fall von Diebstahl, denn dieses Blut gehörte mir. Es strömte schließlich noch immer aus der hässlichen Platzwunde an meiner Stirn, die mir Allisons unfreundlicher Begleiter verpasst hatte.
    Dieser Gedanke war so lächerlich, dass ich trotz der hämmernden Schmerzen zwischen meinen Schläfen lachen musste, und Mulligan hielt auch prompt auf der drittobersten Stufe inne und tat etwas mit meinem Arm, das alles andere als angenehm war, aber auch dazu führte, dass ich mich halb gegen die Wand lehnen und mir so wenigstens einreden konnte, aus eigener Kraft zu stehen. Wenn man nur tief genug in der Bredouille steckte, dann gab man sich auch mit kleinen Triumphen zufrieden.
    »Was ist so lustig, Inspektor?«, brummte Mulligan. Sein Atem ging schwer, und mir fiel erst jetzt auf, dass er ebenfalls Mühe hatte, auf seinen Beinen zu stehen, ohne sich gegen die Wand lehnen zu müssen. Mein schlechtes Gewissen meldete sich. Wenn auch nicht heftig genug, um in angemessenen Worten Ausdruck zu finden.
    »Nichts«, sagte ich. »Ich habe mich noch gar nicht bei Ihnen bedankt.«
    »Is nich nötig«, erwiderte er schlecht gelaunt. »Der Kerl hat mich überrascht, das ist alles. Sah aus wie ein Büro-Hänfling, war aber stark wie ein Bulle.«
    Jetzt musste ich wirklich lachen, auch wenn ich es augenblicklich bitter bereute, denn die Anstrengung tat meinem malträtierten Schädel alles andere als gut. Es fühlte sich an wie Hammerschläge, die hinter meiner Stirn dröhnten. Und als wäre das nicht genug, meldete sich mein schlechtes Gewissen noch einmal mit Nachdruck, denn nun sah ich, dass Mulligan auch nicht ganz so ungeschoren davongekommen war, wie ich bisher ganz selbstverständlich vorausgesetzt hatte. Nicht alles Blut auf seinem ehedem weißen Hemd gehörte von Rechts wegen mir. Die linke Hälfte seines Gesichts begann bereits anzuschwellen, und das dazugehörige Auge blinzelte ununterbrochen, und nicht im Takt mit dem anderen. Ich meinte noch einmal den dumpfen Laut zu hören, mit dem er gegen das Gitter

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