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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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O’Brien mit dieser Frage in Verlegenheit, das war unübersehbar, und dass er auf meine Frage nicht antwortete, war eigentlich Antwort genug. Er räusperte sich unbehaglich und machte eine Kopfbewegung auf das Tablett. »Wenn Sie noch etwas brauchen, dann sagen Sie nur Bescheid, Mister Devlin. Ich warte draußen vor der Tür.«
    Um ganz sicherzugehen, dass ich sie auch ja nicht benutzte, fügte ich in Gedanken hinzu. Ganz kurz spielte ich ernsthaft mit der Idee, es einfach darauf ankommen zu lassen und an ihm vorbeizugehen, verwarf diesen Einfall aber nach einem Blick auf die beeindruckenden Muskelpakete meines Gegenübers rasch wieder.
    »Dann werde ich mich gedulden, bis Captain Adler zurück ist«, sagte ich. Ich wartete, bis O’Brien sich umgedreht und die Hand schon wieder halb nach der Klinke ausgestreckt hatte, und fragte dann: »Waren Sie gestern Abend dabei?«
    Der Sergeant fuhr so heftig zusammen, dass seine Antwort im Grunde überflüssig wurde. »Wir haben … den ganzen Kanal abgesucht, aber keine Spuren gefunden. Es tut mir leid.« Und damit ging er. Ich setzte mich wieder und tat mich an dem dünnen Kaffee und dem steinhartem Zwieback gütlich, der nicht nur so aussah, als wäre er noch von der Schlacht von Trafalgar übrig geblieben, sondern auch so schmeckte. Natürlich stachelten die wenigen Bissen meinen Hunger eher noch weiter an, statt ihn zu stillen, doch die Genugtuung, ihn um mehr zu bitten, wollte ich O’Brien nicht gönnen, weshalb ich die nächsten Stunden mit knurrendem Magen und dem schlechten Nachgeschmack des dünnen Kaffees auf der Zunge verbrachte.
    Als das Licht hinter dem schmalen Fenster über mir allmählich zu verblassen begann, hörte ich endlich Schritte draußen auf dem Gang. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet.
    Zu meiner Überraschung war es nicht der Sergeant, der hereinkam, sondern Mulligan. Er trug zur Abwechslung eine makellos weiße Pflegermontur und hatte sich rasiert, sah darüber hinaus aber so übernächtigt und müde aus, dass ich nicht fragen musste, um zu wissen, dass er kein Auge zugetan hatte, seit wir uns das letzte Mal begegnet waren.
    »Mister Devlin«, begrüßte er mich. »Geht’s Ihnen gut?«
    »Auf jeden Fall besser, als Sie aussehen«, antwortete ich schlecht gelaunt. »Wo ist Nikola? Und haben Sie etwas von Allison und den anderen gehört?«
    »Nein«, antwortete er. »Aber der Professor ist in Ordnung … glaube ich.«
    »Glauben Sie?« Ich musste mich beherrschen, um meiner üblen Laune nicht gänzlich freien Lauf zu lassen. Mein Verstand sagte mir, dass Mulligan von allen hier wohl die wenigste Schuld traf, aber er war auch ein dankbares Opfer, und – viel wichtiger – er war gerade greifbar.
    »Der Doktor und seine Kollegen kümmern sich um ihn«, antwortete er. »Machen Sie sich keine Sorgen. Er ist in guten Händen.«
    Tatsächlich sorgte ich mich mehr um Nikola, als ich mir selbst erklären konnte – oder gar zugegeben hätte –, aber noch sehr viel mehr sorgte ich mich um …
    »Allison«, sagte ich. »Miss Carter. Haben Sie irgendetwas von ihr gehört oder den anderen?«
    »Captain Adler hat mich die halbe Nacht in die Mangel genommen, um das aus mir rauszukitzeln. Aber Sie wissen ja, dass ich nichts weiß.«
    »Und was hat Adler in der Zwischenzeit getan?«, fragte ich mürrisch. Draußen auf dem Gang raschelte es, und ich meinte vor meinem inneren Auge regelrecht zu sehen, wie sich O’Brien auf seinem Stuhl unbehaglich bewegte.
    »Das … müssen Sie ihn schon selbst fragen«, antwortete Mulligan. Das – eben nur fast – unmerkliche Zögern in seinen Worten entging mir genauso wenig wie der Blick, den er mir dabei zuwarf. Möglicherweise war da ja etwas, das O’Brien draußen auf seinem Stuhl nicht mitbekommen sollte.
    »Er ist zurück?«, fragte ich.
    »Ich soll Sie zu Doktor Watson und ihm bringen«, bestätigte er. »Ich glaub, die beiden haben was entdeckt, und …«
    »Dann sollten wir den guten Captain nicht unnötig warten lassen«, fiel ich ihm ins Wort. Ich hatte nichts gegen O’Brien und meinte ganz im Gegenteil zu spüren, dass er eigentlich ein recht patenter Bursche war … aber das bedeutete auch nicht, dass er alles wissen musste.
    »Dann bringen Sie mich zu ihm«, bat ich. Ich konnte Mulligan ansehen, dass das nicht das war, was er hatte hören wollen – vielleicht lag ihm ja auch etwas auf der Seele, was er mir unbedingt sagen wollte, und er war genau wie ich der Meinung, dass unser freundlicher Gesellschafter

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