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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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draußen auf dem Gang nicht unbedingt alles hören musste –, doch nach einem abermaligen Zögern nickte er nur und hatte es dann umso eiliger, die als Krankenzimmer getarnte Kerkerzelle zu verlassen. Schnell schlüpfte ich in meine Schuhe und warf mir die Jacke über den Arm, um sie auf dem Weg nach oben anzuziehen. Es wäre jedoch gar nicht nötig gewesen, mich so zu beeilen. Mulligan war nur bis zu dem vergitterten Durchgang gekommen, dessen aufgebrochene Gitterstäbe nun durch eine grobe Kette und ein Vorhängeschloss zusammengehalten wurden, für das er ganz offensichtlich keinen Schlüssel besaß. Der Sergeant stand neben ihm, sah demonstrativ durch ihn hindurch und wartete noch offensichtlicher darauf, dass ich mich zu ihnen gesellte, bevor er sich dazu herabließ, einen altmodischen Doppelbartschlüssel aus der Jackentasche zu klauben und das Schloss zu entriegeln.
    Wenigstens versuchte er es. Das Schloss hatte seine besten Tage entweder schon lange hinter sich oder war noch schwergängiger konstruiert, als es ohnehin schon aussah, denn der Sergeant fummelte eine Weile mit wachsender Ungeduld daran herum, ohne irgendetwas zu bewirken. Mulligan ließ ihn gerade lange genug zappeln, um aus der Verlegenheit in seinem Blick eine erste Spur erwachender Panik zu machen. Dann schob er ihn zur Seite und schien Schloss und Schlüssel kaum berührt zu haben, als der Bügel auch schon mit einem irgendwie höhnisch klingenden Klicken aufsprang, das dem Sergeant augenblicklich das Blut in die Ohren schießen ließ. Beiläufig fragte ich mich, wie er wohl reagiert hätte, hätte Mulligan das Schloss ganz ohne Schlüssel und in kaum mehr Zeit geöffnet – wozu er meiner Überzeugung nach durchaus imstande gewesen wäre –, hielt mich damit aber auch nicht weiter auf. Unwillig schob ich nun Mulligan beiseite und eilte voraus, ohne so recht zu wissen wohin, und insgeheim froh, als er mich nach ein paar Schritten wieder einholte und die Führung übernahm. Schweigend gingen wir nebeneinander her und die hallende Treppe zum eigentlichen Erdgeschoss des Instituts hinauf. Mulligan brach diese unangenehme Stille erst, als er sich mit einem raschen Schulterblick davon überzeugt hatte, dass der Sergeant uns auch wirklich nicht folgte, sondern zurückgeblieben war, um ein nun endgültig leer stehendes Kellergeschoss zu bewachen. Wenn ich daran dachte, was uns in der zurückliegenden Nacht darin widerfahren war, dann hätte ich nicht mit ihm tauschen wollen.
    »Erzählen Sie es mir jetzt?«, fragte Mulligan, fast als hätte ich den Gedanken laut ausgesprochen.
    Ich stellte mich trotzdem dumm. »Was?«
    »Was hier los ist, Inspektor. Ich habe bisher nur an Gott und die Heilige Jungfrau Maria geglaubt, aber nicht an den Leibhaftigen. Doch seit letzter Nacht zermartere ich mir das Hirn, ob das nicht falsch war.«
    »Ich sage es Ihnen«, antwortete ich, »wenn Sie mir verraten, welches Versprechen Sie Miss Carter gegeben haben.«
    Das war billig, und es hätte Mulligans entrüsteten Blicks gar nicht bedurft, um mir das selbst klarzumachen. Bevor er dieser Entrüstung mit Worten Ausdruck verleihen konnte, fuhr ich auch schon in verändertem Ton fort: »Verzeihen Sie. Ich wollte Sie nicht unter Druck setzen. Aber ich kann es Ihnen nicht sagen, weil ich es nicht weiß, und das ist die Wahrheit. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass es nichts mit dem Teufel zu tun hat. Und auch nicht mit Gott.«
    Mulligan sah mich so durchdringend an, dass ich seinem Blick nur noch mit Mühe standhalten konnte, doch er schien sich mit dieser Erklärung auch zufriedenzugeben. Er nickte gewichtig und machte dann eine Geste nach oben. »Doktor Watson hat versprochen, mir alles zu erklären.«
    »Und Sie denken, er würde Ihnen etwas anderes sagen als ich?«
    Auch diese Bemerkung tat mir schon leid, bevor sie mir auch nur ganz über die Lippen gekommen war, doch Mulligan nahm sie mir nicht übel. »Vielleicht wissen Sie ja etwas anderes als er.«
    Mulligan musste sich vorgenommen haben, mich jedes Mal aufs Neue zu überraschen, wenn wir uns trafen, und es gelang ihm. »Nikola weiß vielleicht als Einziger, was das alles bedeutet«, sagte ich. »Weder Doktor Watson noch Captain Adler oder ich.«
    Mulligan deutete meine Antwort offensichtlich richtig, denn er sah noch ein bisschen bekümmerter aus, aber er stellte zu meiner Erleichterung auch keine weitere Frage mehr, sondern beschleunigte seine Schritte, bog nach links ab und ging dann eine weitere Treppe

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