Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

die Hand aus. »Bitte.«
    Mulligan setzte einen störrischen Gesichtsaufdruck auf. »Ich wüsste nicht, warum ich das tun sollte.«
    Ich sah ihm direkt in die Augen. »Allison hat Ihnen das Versprechen abgenommen, sie zu erschießen.«
    Mulligan hatte nicht die Kraft, meinen Blick zu erwidern, aber er nickte abgehackt. Kurz darauf griff er tatsächlich hinter sich und zog den Revolver aus dem Hosenbund, doch bevor er ihn der eisernen Allison aushändigen konnte, nahm ich ihm die Waffe nicht nur ab, sondern legte auch den Sicherungshebel um und zielte auf das Ungeheuer vor uns.
    »Glaubst du wirklich, dass das nötig ist, Liebling?«, fragte Allison.
    »Ich weiß nicht, was ich glaube«, antwortete ich. »Und nenn mich nicht so!«
    »Es tut mir so unendlich leid«, sagte Allison. »Das Letzte, was ich will, ist dir Leid zuzufügen. Du wirst es verstehen, sobald wir wieder vereint sind.«
    Sie machte einen halben Schritt auf mich zu, ich zog den Hahn des Revolvers zurück. Das Allison-Ding blieb stehen. »Bald werden wir zusammen sein, Liebster«, sagte es.
    Was hatte Chip noch einmal gesagt? Bald werden wir alle sein.
    Sie vielleicht.
    Wir nicht.
    Ich senkte den Lauf der Waffe um ein kleines Stück, aber ich nahm den Finger nicht vom Abzug.
    »Allison hätte das nicht gewollt«, sagte ich, »und ich auch nicht«, und schoss.
    Die Maschinen-Kopie reagierte mit einer Schnelligkeit, zu der kein lebendes Wesen auf dieser Welt fähig gewesen wäre. Obwohl mehr als drei Meter von uns entfernt, kam sie mit einer so fließenden Bewegung heran, dass ich keine Gelegenheit zu einem zweiten Schuss bekam. Sie schlug mir die Waffe mit solcher Gewalt aus der Hand, dass sie mir mindestens zwei Finger brach, und prallte wuchtig genug gegen mich, um mich von den Füßen zu reißen. Doch in dem Sekundenbruchteil, bevor ich fiel, sah ich noch, mit welch tödlicher Präzision ich getroffen hatte. Die Kugel hatte Allisons Stirn genau über den Augen durchschlagen und ein winziges, perfekt kreisrundes Loch hineingestanzt, und ein grausames Schicksal wollte es, dass die bloße Erschütterung ihre Lider geöffnet hatte, sodass ich ein allerletztes Mal in ihre erlöschenden Augen blicken konnte – die Augen der einzigen Frau, die ich in meinem ganzen Leben wirklich geliebt und die ich gerade mit eigenen Händen getötet hatte.
    Das Gewicht der Maschinen-Allison trieb mir jedes bisschen Atemluft aus den Lungen. Meine Rippen knackten wie trockenes Reisig, und so grässlich er auch war, so war ich doch zugleich auch dankbar für den grausamen Schmerz, der an tausend Stellen zugleich in meinem Körper zu explodieren schien, denn er hinderte mich daran, vor Entsetzen über mein eigenes Tun den Verstand zu verlieren.
    »Sie sind ein sehr dummer Mensch, Mister Devlin«, sagte die Allison-Kopie, die auf meiner Brust hockte und mir noch immer erbarmungslos die Luft abschnürte. Mein Blickfeld füllte sich immer weiter mit rotem und schwarzem Nebel und ich ahnte mehr, als ich wirklich sah, wie sich Watson und Mulligan gleichzeitig auf sie stürzten und sie mit vereinten Kräften von mir herunterzuzerren versuchten.
    Genauso gut hätten sie versuchen können, das Schiff mit bloßen Händen umzuwerfen. Das Allison-Ding zeigte sich nicht nur vollkommen unbeeindruckt, sondern fuhr auch mit ruhiger und nun eindeutig künstlich klingender Stimme fort: »Das Einzige, was Sie erreicht haben, war, Ihrer Freundin die Unsterblichkeit zu verwehren. Sie werden die ganze Ewigkeit Zeit haben, zu begreifen, was Sie ihr angetan haben, und es bedauern. Es gibt Dinge, die können nicht einmal wir …«
    Sie sprach nicht weiter. Vielleicht verstand ich sie auch nur nicht mehr, denn ich schlitterte immer rascher auf den Rand einer Bewusstlosigkeit zu, aus der ich vermutlich nie wieder erwachen würde. Was hell gewesen war, färbte sich rot, was bisher rot gewesen war, wurde schwarz, und alle Geräusche verloren an Höhe und Klarheit und verschmolzen zu einem statischen Rauschen, das mich nur noch schneller auf den schwarzen Abgrund zutrieb. Ich versuchte nicht mehr, mich zu wehren, und wozu auch? Ich hatte alles verloren, was meinem Leben plötzlich doch noch einen Sinn gegeben hatte. Schlimmer noch: Ich hatte es selbst zerstört, mit einer einzigen winzigen Bewegung meines Fingers. Was also hielt mich noch hier? Zumindest in einem Punkt hatte das Allison-Ding die Wahrheit gesagt: Ich würde für den Rest der Ewigkeit Zeit haben, diese eine Sekunde zu bedauern.
    Ich musste