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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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beiderseits meiner Schläfen Betonsplitter und weitere Funken aus dem Boden schlugen.
    Verzweifelt rammte ich beide Füße gegen den mit drahthartem Fell bedeckten Hinterleib der Spinne – es war, als hätte ich gegen eine gusseiserne Kirchenglocke getreten, nur dass es nicht annähernd so klang –, hob zugleich aber auch mit beiden Händen den Revolver und riss den Abzug durch.
    Der Knall war ohrenbetäubend, und die Mündungsflamme stach wie ein rot glühender Dolch in eines der großen Augen des Ungetüms und löschte es in einer Explosion aus Glassplittern und gelben elektrischen Funken aus.
    Das Ungeheuer schrie, bäumte sich auf die beiden hinteren Beinpaare auf und spuckte mir verbrannten Kautschuk, Glasscherben und heißes Öl ins Gesicht. Ich kroch verzweifelt rücklings unter dem Ding hervor, von dem mein Verstand immer noch hartnäckig behauptete, dass es gar nicht existieren konnte.
    Ich gab einen weiteren Schuss ab, der nichts als einen Funkenschauer und einen zweiten Querschläger zur Folge hatte, die Spinne allerdings auch ein kleines Stück zurückwarf, und mehr als diese eine Chance brauchte ich nicht. Ich würde wohl auch keine zweite bekommen.
    Ich katapultierte mich auf die Füße und stürmte los. Etwas sehr Starkes und absolut Tödliches schlug nach mir, traf mich zwar nicht direkt, aber prellte mir die Waffe aus der Hand, die in der Dämmerung verschwand und sich mit einem ohrenbetäubenden Knall noch einmal entlud, als sie auf den Boden prallte. Dann hatte ich die Tür erreicht und warf mich mit einem Satz hindurch.
    Hinter mir erbebte das Haus noch einmal wie unter dem Hammerschlag eines zornigen nordischen Gottes, und Holzsplitter, Putz und roter Ziegelsteinstaub explodierten in meine Richtung, als das Ungeheuer mir zu folgen versuchte und prompt in der Tür stecken blieb.
    Dann hatte ich den Kanal erreicht, verlor endgültig das Gleichgewicht und fiel kopfüber in die stinkende Brühe.



2

    Es vergingen drei Tage, ohne dass es mir auch nur gelang, zu Jacobs Sekretärin vorzudringen. Zumindest einer dieser drei Tage war nicht der Sturheit von Jacobs’ Personal geschuldet, die beiden anderen dafür umso mehr.
    Einen Gutteil des ersten Tages hatte ich gebraucht, um nach Hause zu kommen, ausgiebig zu baden und meine verbrannte Hand zu versorgen. Anschließend versuchte ich mich mit einer halben Flasche Whisky so weit zu betrinken, dass ich mir wenigstens einreden konnte, ich hätte mir dieses ganze verrückte Erlebnis nur eingebildet.
    Es blieb allerdings bei dem Versuch.
    Nachdem ich hinlänglich genug angetrunken war, um lange nach Mitternacht endlich in einen von wirren Albträumen heimgesuchten Halbschlaf zu sinken, erwachte ich am nächsten Morgen mit einem gehörigen Kater, einer ungeschickt verbundenen Hand, die heute eindeutig mehr wehtat als gestern, und neben den immer noch feuchten Resten meines Anzugs, der zum Himmel stank und darüber hinaus aussah, als hätte ich versucht, ihn in einer säuregefüllten Kloake zu waschen. Jacobs’ Brief hatte das unfreiwillige Bad erstaunlich gut überstanden. Die Schrift war kein bisschen verwischt, und auch das Papier überraschend gut erhalten. All das bewies, dass zumindest ein Teil meiner Erinnerungen tatsächlich Erinnerungen waren und nicht etwa Nachwehen meines Rauschs vom vergangenen Abend – was mir eindeutig lieber gewesen wäre.
    Möglicherweise hätte ich es trotzdem dabei belassen, hätte mich mein Weg nicht als Nächstes zu meiner Bank geführt, wo ich mein Konto überprüfte und feststellte, tatsächlich eine Baranweisung von Jacobs bekommen zu haben.
    Es war die Summe, die mich verwirrte und letzten Endes dann auch dazu bewog, in Jacobs’ Büro vorstellig zu werden:fünfundachtzig Pfund und ein Sixpence. Möglicherweise (also eigentlich nicht, aber möglicherweise und unter ganz und gar unvorstellbaren Umständen vielleicht) hätte mir ja entfallen sein können, mich mit Jacobs doch auf eine pauschale Bezahlung geeinigt zu haben … aber an diese nicht ganz unbeträchtliche Summe hätte ich mich selbstverständlich erinnert.
    Also ging ich zu Jacobs.
    Oder versuchte es wenigstens.
    Der Kaufmann residierte – und dieses Wort traf in einem Ausmaß zu, das mich seine Bedeutung zum allerersten Mal wirklich begreifen ließ – in einem palastgroßen Gebäude in Sichtweite des Rathauses, und als ich durch die bronzeverglaste Drehtür in das weitläufige Foyer trat, überkam mich genau das Gefühl, das die Architekten dieses

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