IRRE SEELEN - Thriller (German Edition)
dass er seine Chance, Quintus Miller aufzuhalten und Randy zu retten, verspielte, wenn er Sergeant Schiller ein Sterbenswörtchen verriet. Sergeant Schiller würde ihm niemals abnehmen, dass Menschen durch Wände sprinten und unter der Erde wandeln konnten – jedenfalls nicht, bevor es zu spät war. Und er würde Jack niemals gestatten, die Jagd auf Quintus Miller zu eröffnen.
Der Polizist unterbrach seine Gedanken: »Wie wäre es, wenn Sie mir verraten, wo Sie Ihren Jungen versteckt halten? Dann können Sie die Flöte haben.«
»Behalten Sie die verdammte Flöte«, entgegnete Jack und versuchte so zu klingen, als wäre es ihm völlig egal.
»Irgendwann müssen Sie es mir verraten«, warnte Sergeant Schiller ihn.
»Ich kann Ihnen nichts verraten, was ich selbst nicht weiß.«
»Sie haben ihn umgebracht, nicht wahr? Kommen Sie, das ist verständlich. Sie standen unter Stress. Ihre Ehe war kurz davor, in die Brüche zu gehen. Sie waren es leid, die Verantwortung für ihn zu übernehmen, weil er sie so sehr an ihre Frau erinnerte. Also haben Sie es sich leicht gemacht und ihn abgemurkst.«
Jack drehte Sergeant Schiller den Kopf zu und starrte ihm direkt in die Augen. »So ein Bullshit!«, entgegnete er.
Sergeant Schiller erwiderte seinen Blick gänzlich unbeeindruckt und überreichte ihm dann die Flöte. »Ich habe in den letzten elf Jahren bei meinen Ermittlungen eine Menge mitgemacht, Mr. Reed, und dabei eine ganze Reihe kranker Gestalten erlebt. Aber jemand wie Sie ist mir dabei noch nicht untergekommen.«
Mit diesen Worten gab er der Wache an der Tür das Zeichen, Jack wieder in seine Zelle zu eskortieren.
In dieser Nacht hinterließen Quintus Miller und seine irren Kumpane eine Spur der Verwüstung durch Milwaukee und Madison sowie entlang der Leylinien, die dazwischen verliefen.
Donner durchdrang die Stille der Nacht. Unnatürliche Blitze schlugen auf Pfeilern entlang der mystischen Linien ein und die Luft vibrierte vor Spannung und schien eine unmittelbar bevorstehende Katastrophe anzukündigen.
In der Nähe von Dousman wurde ein 15-jähriges Bauernmädchen namens Sarah Lee Kodiak in ein dunkelgrünes Kohlfeld hinabgezogen. Sie kreischte in einer schauerlich hohen Tonlage, als sie 60 Meter quer über das Feld schleifte und dabei immer tiefer in den Boden sackte, erst bis zu den Schenkeln, dann bis zur Hüfte und schließlich bis zum Hals. Dann versank sie vollständig im schwarzen, schweren Erdreich, als ihr Vater und ihr Bruder noch verzweifelt auf die Stelle zurannten, an der sie verschwand.
Im fahlen Scheinwerferlicht des Traktors pflügten Vater und Sohn noch über zwei Stunden lang mit Spaten und Hacken den Acker um, während der Regen ihnen ins Gesicht peitschte. Sie weinten vor seelischen Schmerzen und Erschöpfung, doch sie konnten sie nicht finden. Schwarzer Boden, einige Blutflecken, aber keine Sarah Lee.
Ein 55 Jahre alter Banker namens Lincoln Winter wurde fast zeitgleich in den Gehsteig gezerrt, als er mitten in Milwaukee aus einem Taxi stieg. Er öffnete die Tür und trat auf das Pflaster. Im selben Moment zog eine unbekannte Kraft seinen Fuß in den Boden. Er schrie einmal laut, doch niemand hörte ihn, und als der verwirrte Taxifahrer aus dem Fahrzeug stieg, um seine Fahrtkosten einzufordern, war Lincoln Winter bereits nicht mehr zu sehen.
Der Taxifahrer sah nicht nach unten – sonst hätte er die vier gepflegten Fingerspitzen gesehen, die verkrampft über den Gehsteig schabten wie rosa Schmetterlingspuppen. Sie schafften es gerade noch, einen weggeworfenen McDonald’s-Karton zu greifen, bevor auch sie unter die Oberfläche gerissen wurden.
Heidi Feldman, eine Kellnerin im Karl-Ratzsch-Restaurant in Milwaukee mit wunderschönen goldbraunen Locken, wurde von den Irren überrascht, als sie den Aufzug in ihr Apartment im vierten Stock in West Allis betrat. Sie beugte sich zum Spiegel an der Hinterwand, um sich ein störrisches Haar ihrer Augenbraue auszureißen, als zwei kräftige Hände das Glas zersplitterten und sie mit dem Kopf voran in die Ziegelsteinwand des Aufzugschachts zogen, während die Kabine ihre Fahrt nach oben unbeeindruckt fortsetzte.
In den letzten Sekunden ihres Lebens fühlte Heidi Feldman, wie ihr Kopf wie Getreide zwischen zwei enormen Mahlsteinen zermalmt wurde. Im vierten Stock stand ihr Mann mit einem Lächeln im Gesicht und einem Martini in der Hand vor der Aufzugtür und fand lediglich die Spuren der Verwüstung vor.
Ein 35-jähriger Fernsehtechniker
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