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IRRE SEELEN - Thriller (German Edition)

IRRE SEELEN - Thriller (German Edition)

Titel: IRRE SEELEN - Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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sich niemand dafür interessierte oder niemand das unglaubliche Potenzial erkannte, das darin schlummerte. Er konnte es bestimmt für – was? – eine halbe Million Dollar kaufen? 300.000? Vielleicht sogar weniger. Sein Kumpel Morris Tucker von der Bank in Menomonee Falls würde ihm sicher gerne bei der Finanzierung behilflich sein. Die beiden kannten sich aus dem Wisconsin Business College und hatten dort 1967 gemeinsam ihren Abschluss gemacht. Drei- oder viermal trafen sie sich in jedem Sommer und gingen zusammen zum Angeln an die Whitefish Bay. Dabei trugen sie labbrige Sonnenhüte, schlürften Sixpacks mit Pabst Blue Ribbon und ließen sich vom Gettoblaster mit den Beatles die Ohren zudröhnen.
    Klar, er würde Millionen benötigen, um das Gebäude nach internationalen Hotelstandards zu restaurieren. Aber wenn Morris ihm das richtige Finanzierungspaket zusammenstellen konnte – tja, es war ein Mordsrisiko. Ein Mords risiko. Doch was hatte er schon zu verlieren, selbst wenn alles in die Binsen ging? Ein Haus in einem Vorort von Milwaukee, einen zerbeulten Kombi und eine schrecklich vorhersehbare Zukunft, in der er anderen Leuten die defekten Schalldämpfer ihrer Autos austauschte. Es wäre kein Verlust, sondern eine Befreiung, selbst wenn alles vor die Hunde ging und er am Ende einen langweiligen Bürojob annehmen musste.
    Jack erreichte die Kieselauffahrt, lief auf das Haus zu und streifte mit der Hand das nasse Mauerwerk. Jedem Menschen eröffnet sich einmal im Leben, und zwar wirklich nur einmal, eine unglaubliche Chance. Jack war sich ganz sicher, dass in der Entdeckung dieses Hauses seine große Chance lag. So musste es einfach sein. Wenn ich nur an die merkwürdige Art und Weise denke, wie ich hierher geführt wurde. Von einer weggewehten Zeitung, die aussah wie ein rennendes Kind. Wenn das nicht Schicksal ist, meine Fresse, dann weiß ich’s auch nicht …
    Er konnte es ganz deutlich vor sich sehen. Das restaurierte Anwesen, die Wege sorgfältig gesäubert, strahlender Sonnenschein und elegant gekleidete Pärchen, die im umgebauten Gewächshaus eine elegante Cocktailparty feierten. Helikopter landeten auf der Terrasse und brachten Gäste direkt aus Chicago oder Milwaukee hierher. Ein Squashplatz, ein Glasdach für den Swimmingpool und hinten am Waldrand durfte natürlich eine schmucke Golfanlage nicht fehlen.
    Er würde die Anlage Merrimac Court Country Club taufen. Eigentümer und Geschäftsführer John T. Reed junior. Das klang doch gut.
    Langsam entfernte er sich vom Gebäude, rieb sich die Hände und schniefte vor Kälte. Sobald er nach Hause kam, würde er herausfinden, wem das Anwesen gehörte und wie viel er dafür verlangte. Dann würde er alles prüfen lassen, nur um sicherzugehen, dass es nicht irgendwelche verdeckten Mängel gab, deren Reparatur massive Folgekosten nach sich zog. Komm schon, sei mal vernünftig und denk logisch. Lass dich nicht von deiner eigenen Begeisterung überwältigen.
    Doch Jack wusste, dass es kein Zurück gab. Sein Leben war schon jetzt dabei, sich völlig zu verändern. Selbst wenn man dieses Anwesen nicht mehr restaurieren konnte, würde er sich ein anderes suchen, bei dem es möglich war, und seinen eigenen Country Club eröffnen, so oder so, selbst wenn es ihn Kopf und Kragen kostete.
    Er gönnte dem Grundstück einen ausgiebigen letzten Blick und versuchte, es sich vollständig instand gesetzt vorzustellen. Da erblickte er hoch oben auf dem Dach ein Gesicht in einem der Gaubenfenster. Ein kleines, blasses Gesicht, wie das eines Kindes.
    Jack stand einfach nur da, starrte zum Fenster und blinzelte sich den Regen aus dem Gesicht. Ihm war unheimlich kalt und er fühlte sich matt und erschöpft. Aber er hatte es sich nicht eingebildet, sondern ganz deutlich gesehen, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde: Ein Kind hatte von dort oben zu ihm heruntergeschaut.
    Er wusste nicht genau, was er jetzt tun sollte. Es musste sich um dasselbe Kind handeln, das er bereits vorhin auf der Straße gesehen hatte, das Kind, das ihn hierher geführt hatte. Die Zeitung am Zaun war wohl lediglich ein Zufall gewesen. Aber selbst wenn sich dort oben ein Kind aufhielt, was sollte er bitteschön unternehmen? Es war schließlich nicht sein Haus und er war auch nicht der Vater. Vielleicht sollte er die örtliche Polizeidienststelle anrufen und sie darüber in Kenntnis setzen, falls der Dreikäsehoch irgendwo ausgebüxt oder vor einer realen oder eingebildeten Gefahr geflüchtet war.

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