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Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde

Titel: Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Luetz Eckart von Hirschhausen
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man entweder wieder völlig heilen oder doch wenigstens so weit wiederherstellen, dass sie einen Beruf ausüben und auch sonst normale soziale Kontakte wahrnehmen können. Die Frage nach der Heilbarkeit ist für uns Ärzte natürlich die zentrale Frage, denn all unser Bemühen muss immer möglichst auf Heilung gehen. Dennoch steckt hinter der Frage, wenn sie an einen Psychiater gestellt wird, zumeist etwas anderes. Nicht ob der Patient gesund wird, möchte man wissen, sondern ob sichergestellt sei, dass er nie mehr eine psychische Erkrankung bekommen kann. Zwar geht jedermann davon aus, dass die Grippe geheilt ist, wenn das Fieber und die anderen Symptome weg sind. Selbstverständlich ist damit nicht gesagt, dass jemand nie mehr in seinem Leben eine Grippe bekommen wird. So ist das auch mit der Depression und anderen psychischen Erkrankungen. Niemand kann sicher ausschließen, dass irgendjemand noch
einmal eine Depression bekommt. Doch genau das will man vom Psychiater bestätigt bekommen. Und so wird vom Psycho-Fachmann oft ein kleines bisschen mehr erwartet als von irgendwelchen anderen Halbgöttern in Weiß. Nicht bloß zeitweilige Heilung, sondern das sichere beständige Heil. An dieser Stelle wird es freilich heikel. Denn für das Heil ist so ein »Psycho« völlig unzuständig. Und so zeigt sich die Seriosität des Therapeuten darin, ob er auf die sehnsuchtsvolle Frage nüchtern und damit auch ein wenig frustrierend zu antworten vermag, dass bei allen Erkrankungen, den körperlichen und den seelischen, Heilung ein erfreulicher, aber niemals ein ewiger Erfolg sein kann. Und manchmal erlebt der Therapeut seine Tätigkeit gerade dann als besonders sinnvoll, wenn es ihm gelingt, das Leid einer tragischen Entwicklung durch eine verlässliche Begleitung erträglicher zu machen, ohne eine entscheidende Besserung zu erzielen.
     
    Freilich darf zugegeben werden, dass der Beruf des Psychiaters vor allem deswegen Befriedigung gibt, weil hier nicht bloß ein Knochen wieder zusammengezimmert wird, sondern weil man bei Erkrankungen, die einen Menschen existenziell zutiefst erschüttern, mit vergleichsweise schlichten Methoden heutzutage wirklich heilen oder Leid wirksam lindern kann. Früher war das anders. Da konnte man oft nur warten. Wärter hießen die Leute, die psychisch Kranke mehr beaufsichtigten als pflegten. Vor diesem Hintergrund hat man darauf hingewiesen, dass keine medizinische Disziplin in den vergangenen Jahrzehnten so viele Fortschritte gemacht hat wie die Psychiatrie. Niemand wird mehr dauerhaft irgendwohin »abgeschoben«. Psychisch Kranke kann man heute erfolgreich behandeln und die meiste Zeit ihres Lebens sind sie wie die meisten von uns gesund. Gewiss haben die modernen psychosozialen Hilfen und effektive psychotherapeutische Methoden viel zur Linderung von Leid beigetragen. Aber gerade die am schwersten leidenden Menschen haben zweifellos vor allem durch die modernen Psychopharmaka Hilfen erhalten, die es ihnen oft möglich machen, ein weitgehend normales Leben zu führen. Damit ist auch klar, dass die oft gehörte Alternative - entweder
gute Psychotherapie oder schlechte Psychopharmaka - völliger Unsinn ist und gefährlicher Unsinn obendrein. Es gibt lebensrettende Psychotherapie und lebensrettende Psychopharmakotherapie. Beide Behandlungsformen haben Nebenwirkungen. »Kann ja nicht schaden« wäre bei beiden Therapieformen ein verhängnisvolles Missverständnis. Und schon bei leichten Befindlichkeitsstörungen irgendwelche Pillchen einzuwerfen, hilft nicht den Patienten, sondern höchstens der Pharmaindustrie. Es kommt also immer auf die richtige verantwortungsbewusste Indikationsstellung durch den Therapeuten an. Medikamente können falsch, zu gering und zu hoch dosiert eingesetzt werden. So gibt es beides: Glanz und Elend der Psychochemie.
b) Schockierende Erkenntnisse - Das Ultimatum einer selbstbewussten Patientin
    »Herr Doktor, können Sie mir versprechen, dass ich eine Elektrokrampfbehandlung bekomme, sonst bin ich nicht bereit, mich aufnehmen zu lassen.« Ich erinnere mich noch an die selbstbewusste Patientin. Sie litt unter einer schweren phasenhaft auftretenden Depression. Und sie hatte die Erfahrung gemacht, dass alle anderen Behandlungsformen bei ihr nicht ausreichend halfen. Ich war zu Beginn meiner Ausbildung äußerst skeptisch gegenüber den »Elektroschocks«. Während »Elektroschocks« am Herzen der rettende Höhepunkt jeder schmachtenden Arztsendung im Fernsehen sind,

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