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Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde

Titel: Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Luetz Eckart von Hirschhausen
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Hilfe anderer angewiesen sein.« Dieser von Normalen nicht selten zu hörende Satz ist nicht nur wirklichkeitsfremd, denn Menschen sind zu jedem Zeitpunkt ihres Lebens auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen. Solche programmatischen Sätze drücken die Gesellschaft auf eine schiefe Ebene, bei der ihr am Ende die Humanität abhanden kommt. Wie eine Gesellschaft mit ihren Demenzkranken umgeht, das ist die Nagelprobe für ihre Menschlichkeit.

II Wer Sorgen hat, hat auch Likör - Sucht, die peinliche Krankheit

1. Firma, Frau und Führerschein - Die sensiblen drei F
    Ich hatte mal wieder psychiatrischen Bereitschaftsdienst im Krankenhaus, und ausgerechnet in der Tiefschlafphase, so gegen 3 Uhr, wurde ich geweckt. Ein Patient sei da zur Aufnahme. Mühsam entrollte ich mich meinem Bett. Man ist auch nur Mensch und um diese Zeit hält sich das Interesse für spannende Diagnosen in bescheidenen Grenzen. Wirklich aufregend schien der neue Fall auch nicht zu sein, denn schon von Ferne sah ich einen leicht torkelnden Mann mittleren Alters und beim Nähertreten umwehte mich eine Alkoholfahne, die es in sich hatte und von der ich befürchten musste, dass sie meine eigene Dienstfähigkeit auf Dauer bedrohte. Der Mann war erheblich fröhlicher als ich und eröffnete gleich leutselig das Gespräch mit der Frage, wie es mir denn wohl so gehe. Ich gestand - in weniger leutseligem Ton -, dass es mir nachts um 3 Uhr nach plötzlichem Erwachen in der Regel nicht sehr gut gehe, und raffte mich auf zur Gegenfrage, was er seinerseits denn hier so mache. Bereitwilligst erklärte er, dass er wohl etwas zu viel getrunken habe, und da habe er total harmlose Auseinandersetzungen in einer Kneipe gehabt. Der humorlose Wirt habe daraufhin völlig überflüssigerweise die Polizei gerufen und die habe ihn vor die ganz absurde Alternative gestellt: Ausnüchterungszelle bei der Polizei oder Psychiatrie. Da habe er sich natürlich für die Psychiatrie entschieden. Dabei strahlte er mich so gönnerhaft an, als erwartete er nun einen herzlichen Dank, dass seine Wahl ausgerechnet auf uns und speziell auf mich gefallen sei. Da man Patienten gegenüber zwar nicht immer offen, aber doch stets ehrlich sein soll und ich noch nicht sicher war, ob der Patient über echten Humor verfügte, unterließ ich es, mich für seinen nächtlichen Besuch wärmstens zu bedanken, und ging, um Zeit zu sparen, gleich aufs Ziel los:
    »Sie sind also Alkoholiker.« Das Erstaunen des Patienten war grenzenlos: »Wie kommen Sie denn darauf?« - »Wer nachts um diese Zeit mit einer solchen Alkoholfahne eingeliefert wird, ist meistens Alkoholiker«, antwortete ich freundlich. Der Patient wurde leicht kumpelhaft: »Ich kann Sie gut verstehen, Herr Doktor, aber Sie irren sich. Ich bin weit davon entfernt, Alkoholiker zu sein. Ich möchte auch gar nicht bleiben, sondern am liebsten gleich wieder nach Hause. Wissen Sie, Sie trinken mal etwas zu viel, ich trinke mal etwas zu viel. So ist das Leben. Deswegen sind wir beide doch keine Alkoholiker...« Breit grinsend stand der Patient vor mir. Seine Gesichtshaut war leicht gerötet und zeigte auch sonst Kennzeichen, die für Alkoholiker typisch sind. Ich wollte mich nicht auf eine lange Diskussion einlassen und so kam ich gleich zur Sache: »Haben Sie eigentlich schon einmal eine Abmahnung am Arbeitsplatz bekommen?« - »Ja Herr Doktor, vor einem Jahr.« - »Wegen Alkohol?« - »Ja, aber das war reiner Zufall. Wir hatten Betriebsfest und alle haben tüchtig getrunken. Nur mich hatte der Chef auf dem Kieker. Ich muss wohl irgendwie laut geworden sein. Und da würgt der Alte mir eine Abmahnung rein. Die Welt ist ungerecht...« - »Sind Sie verheiratet?« - »Ja.« - »Hat Ihre Frau schon mal mit Scheidung gedroht?« Der Patient schaute mich ungläubig an: »Woher wissen Sie das denn?« - »Wegen Alkohol?« - »Na ja, das war eine ganz blöde Sache. Es gab Probleme bei der Arbeit, Probleme im Freundeskreis, und da hatte ich mir abends halt mal einen gezwitschert. Wie ich ins Bett gekommen war, wusste ich nicht mehr. Und da sagt mir meine Frau am anderen Morgen, sie habe keine Lust mehr, mit einem Besoffenen im Bett zu liegen. Mich hat das sehr getroffen, denn ich liebe meine Frau. Und das hatte sie nicht zum ersten Mal gesagt. Dabei sind wir schon 30 Jahre glücklich verheiratet und ich war immer so eine treue Seele...« - »Haben Sie schon einmal den Führerschein verloren?« - »Ja...« - »Wegen Alkohol?« - »Ja wissen Sie, das war nach

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