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Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde

Titel: Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Luetz Eckart von Hirschhausen
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viel weniger als clevere Normale dazu, andere Menschen mit List und Tücke übers Ohr zu hauen. Sie sagen nicht immer, was sie denken, weil sie damit oft schlechte Erfahrungen gemacht haben. Doch sie sind in gewisser
Weise dann, wenn sie etwas sagen, wahrhaftiger als viele andere Menschen. Man könnte sagen, Schizophrene erleiden mitunter ihre subjektive Wahrheit, und wie sie das tun, das kann sehr eindrucksvoll sein. Jedenfalls haben Schizophrene noch nie einen Krieg ausgelöst oder geführt, keiner meiner schizophrenen Patienten war wirtschaftskriminell oder anderweitig charakterlos. Gewiss, sie erregen mit ihren Merkwürdigkeiten und Unangepasstheiten Anstoß in der Gesellschaft der unheilbar Normalen und in akuten Phasen können sie auch mal aggressiv werden. Wer sich freilich genug Sensibilität für Menschlichkeit bewahrt hat, der kann von der Farbigkeit dieser außergewöhnlichen Menschen profitieren. Desorientiert sind sie übrigens nie. Auch das kann bei Normalen anders sein. Als ich einmal einem guten Freund mit Sinn für Humor erklärte, wie man in mein Krankenhaus komme, stellte der sich herzlich dämlich an. Und als er auch beim dritten Mal nichts verstand, rief ich aus: »Fahr doch einfach in den Kölner Süden, hau einen Polizisten und sage dem, Stimmen hätten dir das befohlen. Und schon landest du bei mir!« Unser Problem sind die Normalen!
     
    Jedes Unterschätzen unserer schizophrenen Mitmenschen und jedes Überschätzen der »Normalen« führt in die Irre. Denn eines verbindet uns Menschen alle: Irren ist menschlich - oder mit Goethe: »Es irrt der Mensch, so lang er strebt«.

IV Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt - Depressive und Maniker
    Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt, wer ist das schon wirklich? Doch es gibt Menschen, die an einer Krankheit leiden, die sie genau solche extremen Höhen und Tiefen erleben lässt.

1. Die Depression - Was ist das Gute am Schlechten?
    Verzweifelt war der Manager in den besten Jahren. Schon seit Monaten war die Stimmung immer weiter gesunken, an nichts hatte er mehr Freude. Der Antrieb fehlte, er war schnell ermüdet, dennoch war der Schlaf gestört und nichts schmeckte ihm mehr. Es plagte ihn die Angst, dass alles den Bach runtergehen würde. Dabei gab es im Grunde keine Probleme. Er hatte einen guten Job, eine nette und einfühlsame Frau, erwachsene Kinder, die ihren Weg machten und auch jetzt zu ihm standen. Eigentlich hätte er sich geruhsam abends in einen Sessel fallen lassen können, mit seiner Frau ein gutes Glas Wein trinken, das Leben genießen. Stattdessen stand er morgens schon mit Angst und Unruhe auf. Der Gedanke, einen langen anstrengenden Tag vor sich zu haben, drückte ihn nieder. Wie sollte er das alles bloß schaffen? Würde er nicht ganz sicher seine Familie ruinieren und verarmen? War er nicht schuld an seinem eigenen Niedergang, aber auch an den Problemen seiner Firma, seiner Freunde, seiner Familie? Wahrhaftig, es war zum Verzweifeln. Und nie würde das aufhören, nie wieder würde er sich an der Sonne freuen können, er, der Unwürdige. Nie wieder würde er lachen können wie früher, als es ihm noch gut ging. Und beinahe konnte er darüber noch nicht einmal traurig sein. Ja, vor Monaten hatte er noch geweint über sein Geschick. Aber irgendwann waren sogar die Tränen versiegt. Er fühlte sich innerlich wie ein Stein. Gefühllos und doch verzweifelt vor dem schwarzen Nichts, in das er hilflos immer weiter hineingezogen wurde...

     
    Erfahrene Psychiater sagen, dass man bei langer Erfahrung eine Schizophrenie einigermaßen nachvollziehen könne, eine tiefe von innen heraus aufsteigende Depression, eine Melancholie, dagegen könne man nicht nachfühlen. Das Wort Depression führt da meist in die Irre. Denn darunter versteht manch einer die heftige Trauer beim Tod eines geliebten Menschen oder auch schon bei einer schmerzhaft erlebten Trennung, bei der es einem tage- oder wochenlang nicht gut geht. Doch das ist meilenweit entfernt von dem, was ein von innen heraus depressiver Mensch erlebt. Der amerikanische Psychotherapeut Steve de Shazer hat einmal gesagt, Depression sei zwar das Lieblingswort von Therapeuten, doch im Grunde wisse keiner genau, was das eigentlich sei. Denn jeder verbindet mit dem Wort »Depression« etwas höchst Subjektives.
     
    Wir behandelten eine Patientin, die ein wirkliches Original war und im Normalzustand ganze Säle zum Toben brachte. Wenn sie dagegen nur wenige Menschen mit ihrer Art erheitern

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