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Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Titel: Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Fuehmann
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dann aber, als die letzten Zweifel geschwun den waren, umarmten die Männer einander, und sie gingen hinaus ins Freie und setzten sich unter einen Ölbaum und sahen hin übers Land und weinten vor Glück und Grimm. Schließlich ermannte sich Odysseus. »Die Zeit ist reif zum Handeln!«, sprach er. »Lass uns einen Plan ersinnen, gegen die Freier den Kampf aufzunehmen!«
    »Das kann doch dein Ernst nicht sein, lieber Vater«, sprach Telemach, »es sind ja alles erprobte, kampferfahrene Krieger, und sie sind in der erdrückenden Übermacht. Zweiundfünfzig sind aus Dulichion mit sechs Knechten und dem Herold Medon gekommen, vierundzwanzig aus Same, zwanzig aus Zakynthos, ja sogar zwölf Abtrünnige aus Ithaka sitzen mit ihnen vereint an der Tafel, wie willst du gegen diese Menge bestehen? Wir wollen uns fremde Hilfe suchen und draußen ein Heer rüsten, dann werden wir es wohl wagen können!«
    »Söhnchen«, erwiderte Odysseus, »ich will kein fremdes Heer ins Land ziehn! Sag, welche Hilfe dünkt dich wirksamer: die eines Heeres von hundert Streitern oder der Beistand eines der Himmlischen?«
    »Tausend Sterbliche vermögen nichts gegen einen Gott«, entgegnete Telemach.
    »So vernimm denn, lieber Sohn«, sprach Odysseus, »dass an unserer Seite die Pallas steht, Athene, die als Einzige neben Zeus den schrecklichen Aigisschild schütteln darf, vor dessen donnerndem Tosen allein ein Heer entsetzt die Flucht ergreift!«
    »Athene ist mit uns«, jubelte Telemach, »dann mögen wir den Kampf beginnen! Nun weiß ich auch, wer damals in Mentors Gestalt zu mir trat und sich dann als Vogel in den Himmel schwang!«
    Da er dies rief, schoss ein taubenrupfender Habicht zu seiner Rechten vom Himmel, zog einen Kreis um die Häupter der beiden und schwang sich dann wie ein Pfeil wieder zum Firmament. »Sieh das Zeichen der Göttin!«, rief Odysseus. »Und nun höre meinen Plan. Du gehst in den Palast, sobald der nächste Morgen sich rötet; ich werde dir gemeinsam mit Eumaios in der Gestalt eines Bettlers folgen und mich auf den Stufen desPalastes niederlassen. Mögen die wüsten Gesellen mich auch kränken und schmähen und an mir ihr Mütchen kühlen – du mischst dich nicht ein, so tief ich auch erniedrigt werde. Wenn ich Athenes Nähe fühle, werde ich dir mit den Augen winken. Schaffe dann alle Waffen aus der Halle in den oberen Söller; sage den Freiern, die kostbaren Bogen und Lanzen seien schon schwarz von Rauch und Ruß geworden und müssten dringend gereinigt werden; nur zwei Schwerter lass stehen, zwei Speere und zwei stierlederne Koller, dass wir uns ihrer bedienen können, wenn es Ernst wird. Und hüte deine Zunge, mein Sohn; niemand, auch nicht Penelope, auch mein greiser Vater Laertes nicht, darf wissen, dass Odysseus auf Ithaka weilt!«
    Nachdem er dies gesprochen hatte, erhob er sich, und da er sich erhob, war er wieder in einen Bettler verwandelt. Die Bluthunde aber mieden auch jetzt noch seine Nähe.
Der Plan der Freier
    Da die beiden also ihren Plan beredeten, waren des Telemachs Reisegefährten in den Palast zurückgekehrt, und die Freier sahen ihre Rückkunft mit Schreck und Zorn. »So ist Telemach doch ein Meisterstück gelungen«, sagten sie, »sicher wird bald das Heer, das er geworben hat, landen, und ebenso sicher wird er Ithakas Volk zur Ratsversammlung berufen und wider uns hetzen. Es bleibt keine Zeit, wir müssen den Aufsässigen töten! Lasst ihn in den Palast kommen, da wird sich schon ein Anlass finden, mit ihm abzurechnen!«
    So sprachen Antinoos und Eurymachos; doch einer der Freier, ein edler Jüngling namens Amphinomos, der Telemach freundlich zugetan war und sich auch bei den Prassereien zurückhielt, wandte sich gegen ihren Plan. »Es ist den Göttern ein Greuel, ein Königsgeschlecht auszulöschen«, so sprach er; »bedenkt, Odysseus ist tot, und Telemach hat keinen Erben; mit ihm wäre das Geschlecht der Laertiden getilgt, und es war doch ein wackerer Königsstamm! Lasst uns darum die Götter befragen, ehe wir handeln! Liegtes in ihrem Vorsatz, dass Telemach falle, dann will ich der Erste sein, der den tödlichen Streich wider ihn führt!«
    Dies aber sprach er, um Telemach zu retten, denn er dachte das Orakel so lange wie nur möglich hinauszuziehn. Sein Vorschlag fand den Beifall aller, und sie kamen überein, dass Amphinomos bald die Götter befragen solle. Indes war, durch eine treue Magd, die Kunde von der Verschwörung zu Penelope gedrungen. Sie schritt aus ihrer Kammer, in der sie

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