Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus
hängte sich sein Schwert um die Schulter, nahm seinen scharfblattigen Speer in die Rechte und sprach: »Dies ist eine Nacht ganz nach dem Geschmack von Räubern; ich will mich hinaus zu den Ebern legen, damit kein Unberufener Telemachs Herden sich nahe.« Mit diesen Worten ging er hinaus in die sausende Regennacht und bettete sich unter einer Felszacke im Freien. Odysseus aber freute sich dieses Getreuen und beschloss, ihn reich zu belohnen, wenn der Spuk der Freiergeendet sein würde. Dann schlief er ein, die erste Nacht im endlich erreichten Vaterland, und die Schweine grunzten im Schlaf, und der Wind heulte, und der Regen trommelte auf das hölzerne Hüttendach.
Telemach in Sparta
Athene aber war indes nach Sparta gezogen, um Telemach in die Heimat zurückzurufen. Sie traf ihn, obwohl es tief in der Nacht war, wach und von Sorgen um seinen Vater gequält. »Eile, Telemach«, so redete unsichtbar Athene den Jüngling an, der sofort begriff, wer da durch die stürmische Nacht zu ihm sprach, »eile übers Land zu deinem Schiff, und begib dich, so schnell du kannst, nach Ithaka! Die Freier haben beschlossen, Ernst zu machen und deine Mutter Penelope zur Vermählung mit einem der Ihren zu zwingen, und zwar mit dem reichsten und verschlagensten, mit Eurymachos. Eile drum, Telemach, aber sei wachsam; in der Bucht von Same lauert ein schwarzer Segler, der ist mit Mördern besetzt, die dir nach dem Leben trachten. Darum umschiffe Same und fahre auch nur in der Nacht; vertraue meiner Hilfe, doch mehr noch deinem tapfren Herzen! Bist du aber auf Ithaka angekommen, so gehe stracks zum Sauhirten Eumaios, dem Treuesten aller Treuen; von dort sende Botschaft zu Penelope und melde ihr deine Rückkehr, dann begib dich selbst in den Palast. Hör auf mein Wort, und gehab dich wohl!«
Die Göttin entschwand; Telemach aber sprang von seinem Lager und eilte in den Palast des Königs Menelaos, der im Schlafgemach neben seinem Weib Helena lag. Als Telemach die Schläferin sah, fuhr es ihm durch den Sinn, dass um ihrer Schönheit und Treulosigkeit willen der Krieg um Troja getobt und so viele Helden, darunter wohl auch seinen Vater, verschlungen hatte, und Unmut umwölkte seine Stirn. Menelaos aber erhob sich und trat zu dem Jüngling, der in hastiger Rede bat, ihm einen Wagen zu rüsten, damit er zu seinem Schiff zurückkehren könne; äußerste Eile, so flehte er, tue not, Athene selbst habe ihn zur Heimfahrt aufgerufen.
Menelaos verstand die Eile des Jünglings wohl. Er sagte ihm zu, ihn mit eigener Hand übers Land in die Hafenstadt Pylos zu fahren, und ließ, bis der Wagen bespannt und geschirrt war, ein Mahl bereiten. Während das Fleisch im Kessel sott und die Tische und Sitze gesäubert wurden, wählte der König, von Helena begleitet, aus seiner Schatzkammer ein würdiges Gastgeschenk für den Scheidenden aus. Er entschied sich für einen reichverzierten silbernen Becher mit goldenem Rand, ein kostbares Stück, das Hephaistos, der Gott des Feuers und der Schmiedekunst, geschaffen hatte und das, von edlen Steinen geschmückt, heller strahlte als der Morgenstern. Helena aber beschenkte den Jüngling mit einem selbstgewirkten Gewand aus purpurgefärbter und weißer Wolle.
Vor dem Mahle opferten sie den Göttern, dann aßen und tranken sie Gesottenes und Gebratenes und schritten dann über den Hof zu der Halle hin, wo die zweirädrigen Kampf- und Reisewagen standen. Als sie aber den Hof betraten, stürzte ein mächtiger Adler durch die regenschwarze Nacht hernieder, schlug seine Klauen in eine gemästete Gans und trug sie davon.
»Das ist ein Zeichen der Götter«, rief Menelaos, »die Gans sind die Freier, der mächtige Adler aber ist dein Vater Odysseus, der heimgekehrt ist, das Gesindel zu züchtigen. Eile darum, Telemach, dass du ihm nach Kräften beistehst!«
Mit diesen Worten hieß er den Jüngling den Wagen besteigen; er selbst ergriff Peitsche und Zügel, und die Rosse sausten in rasselnder Fahrt durch die Stadt und durchs gebirgige Land zur Hafenstadt Pylos. Zwei Tage waren sie unterwegs, und es war Abend, als sie im Hafen eintrafen, doch ohne Aufenthalt zu nehmen und sich zu erquicken, machte Telemach mit seinen Gefährten das Schiff flott und stieß von Land und umsegelte Same und kam in dieser Nacht noch glücklich nach Ithaka.
Odysseus und Telemach
Odysseus hatte schon zwei Tage und Nächte lang die Gastfreundschaft des edlen Schweinehirten genossen, und er bereitete nun am dritten Morgen das Frühmahl, da hörte
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