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Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Titel: Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Fuehmann
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gekommen, um, wie immer, die zechenden Freier mit Späßen zu belustigen, und als er Odysseus auf der Schwelle im Staub sitzen sah, dachte er, dass ihm dieser Alte eine gute Gelegenheit gebe, die Freier mit einem Bubenstück zu ergötzen. Er pflanzte sich also vor Odysseus hin, stemmte die Hände in die Hüften, blies die Backen auf, drückte die Brust heraus und schrie: »Gib den Weg frei, erbärmlicher Greis, und weiche von der Schwelle! Siehst du nicht, Unseliger, wie mir all die edlen Herren ringsum zublinzeln, dich Wurm an der Ferse zu packen und durch den Staub zu schleifen, wie es Achill mit dem Leichnam Hektors getan! Mach dich fort, oder ich will dich mit Fäusten schlagen!«
    Er hielt Odysseus die geballte Rechte unter die Nase; dieser aber blieb ruhig sitzen und sprach: »Habe ich dich beleidigt, mein Freund, dass du solcherart zu mir sprichst? Missgönne mir meine Gaben nicht und lasse dich neben mir nieder; auf der Schwelle ist ja auch Platz für zwei!«
    »Ha!«, rief Iros und schlug sich mit der Faust auf den Brustkorb. »Hört an, edle Herren, was dieses Hungermaul plappert! Aber ich will ihm die Zähne links und rechts aus dem Maul haun; ich will ihn prügeln wie eine Sau, die fremde Saaten verwüstet, ich will ihn dreschen, dass ihm das Blut wie ein Springquell aus Lippen und Brust schießt! Auf denn,Alter, stell dich zum Kampf!«
    So zankten sie auf der Schwelle, denn auch Odysseus sparte nicht mit seinen Worten. Die Freier hörten das Schimpfgefecht mit hellem Gelächter an und gedachten die beiden bis zum Faustkampf aufeinander zu hetzen.
    »Hört zu, ihr Helden«, rief Antinoos, »hier in den Kohlen rösten Ziegenmagen, mit Fett und Blut gefüllt, die uns zum Abendschmaus schmecken sollen; den größten davon mag der Sieger im Faustkampf in seinen Ranzen stecken, auch möge er unser ständiger Gast sein, und kein anderer Bettler außer ihm soll künftig die Schwelle überschreiten dürfen!«
    »Das nenn ich ein Wort!«, jauchzte Iros. »Zum Kampf, du Schandmaul, zum Kampf!«
    »So muss ich denn trotz meines Alters dir Jüngerem mich stellen«, sprach Odysseus und erhob sich, »allein ihr Freier müsst mir geloben, euch nicht einzumischen und Iros auch nicht an mir zu rächen, wenn ich ihn niederstrecken sollte.«
    Das beschworen die Freier mit lautem Johlen, und Odysseus streifte seine Lumpen zu einem Lendenschurz zusammen, denn die Faustkämpfe wurden zu jener Zeit mit entblößtem Oberkörper und unbeschuhten Fäusten ausgetragen. Athene aber verlieh, als der Bettler nun Schultern und Brust und Hüften enthüllte, ihrem Schützling ein Geringes von seiner wahren Gestalt, und Iros erschrak, als sich nun zeigte, wie gut der Alte noch bei Fleisch war. Er zitterte und wollte davonlaufen, aber die Freier hielten ihn fest und führten ihn mit Gewalt in den Ring, und Antinoos sprach: »Feigling, nun löffle die Suppe aus, die du dir selbst eingebrockt hast! Und das eine sage ich dir, du Prahlhans:Wenn der Alte dich überwindet und zu Boden streckt, dann wollen wir dich zur Strafe für deine Frechheit zum König Echetos nach Epeiros, dem Schrecken des Menschengeschlechtes, senden, dass er dir Nase und Ohren aufschlitze und deine Scham abhaue und sie den Hunden zum Fraße vorwerfe!«
    Iros schlotterte; er bebte am ganzen Leib, und seine Hände und Füße flatterten wie Mottenflügel. Die Freier aber stießen ihn vor Odysseus und drängten sich, vor Neugier toll, in einem dichten Kreis um das Bettlerpaar. Odysseus überlegte einen Augenblick, ob er den Widersacher tödlich treffen oder ihn nur mit einem leichten Schlag zu Boden strecken solle; schließlich dachte er, dass es nicht klug sei, durch einen allzu kräftigen Fausthieb die Freier unnötig stutzig zu machen. Indes hatte Iros all seine Kraft zusammengenommen und Odysseus auf die rechte Schulter getroffen; dieser jedoch, den klatschenden Schlag kaum spürend, hieb, seine Kräfte aufs Äußerste zügelnd, den Iros unter das rechte Ohr, dass der Kiefer des Bettlers zerbrach und dieser, mit den Zähnen klappernd und eine Lache Blut aus dem Mund auswerfend, zu Boden stürzte und schreiend und heulend im Sande wie ein Käfer zappelte. Die Freier lachten aus vollemHalse, bis ihnen der Atem auszugehn drohte; Odysseus aber schleifte den Besiegten aus dem Palast in den Vorhof, richtete ihn auf, lehnte ihn mit dem Rücken gegen die Mauer, drückte ihm seinen Wanderstab in die Rechte und sprach: »So sitze nun hier, du Schandmaul, und scheuche Schweine und

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