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Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Titel: Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Fuehmann
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Herren gewittert und versuchte auf die Beine zu kommen, um zu ihm zu kriechen; da er aber schon zu geschwächt war, vermochte er nur noch mit dem Schweif und den langen Ohren zu wedeln und ein wenig den Kopf zu heben und den lieben Herrn mit treuen Augen anzublicken, dann erbarmte sich seiner der Tod und raffte ihn weg.
    Indes war Telemach zu den Freiern, die auf Odysseus nicht achteten, zurückgekehrt, und da er den Bettler auf der Schwelle sitzen sah, ging er hinüber zu Eumaios, der auf dem Richttisch gesottenes Fleisch in Stücke teilte, und befahl ihm, dem Fremdling in einem Weidenkorb Brot und eine gekochte Lende zu bringen und ihn aufzufordern, selbst gabenheischend im Saal umherzugehn. Eumaios tat, wie ihm geheißen; Odysseus aß von dem Fleisch und dem Brot und legte den Rest in den Weidenkorb, dann nahm er den geöffneten Ranzen in die Linke, streckte die gehöhlte offene Rechte aus und ging, gesenkten Kopfes, wie es Bettlern wohl ansteht, in den Saal hinein. Die Freier bedachten ihn mit kleinen Gaben; Melantheus, der Ziegenhirt, aber, der gerade in den Palast trat, rief laut: »Nun hat dieser elende Sauhirt den Taugenichts doch noch zu den edlen Freiern geführt, dass er sie bettelnd belästige!« Dies rief er, um sich bei den Freierneinzuschmeicheln, und Antinoos, der Wüsteste der Rotte, wandte sich, da er dies hörte, an Eumaios und sprach: »Was ficht dich Narren nur an, diesen Kerl hier hereinzuschleppen! Treibt sich nicht schon Gesindel genug im Palast herum? Soll jeder Nichtstuer hier an der Tafel sich spreizen und mästen?«.
    »Es ist immer noch die Tafel Telemachs und der edlen Penelope«, antwortete der Schweinehirt ruhig.
    Antinoos schwieg missmutig. Odysseus ging indes demütig von einem zum andern und empfing Fleisch und Brot; er wollte mit seinen Gaben zur Schwelle zurückgehen, doch verwand er die Schmach nicht und trat vor Antinoos hin.
    »Beschenke auch du mich, Lieber«, so bat er, »du scheinst mir nicht der Geringste zu sein. Dein Ansehn ist königlich, darum solltest du mir auch mehr spenden, als ein anderer gegeben hat, auf dass du dir die Gunst der Himmlischen erhältst. Denn das Leben ist wechselvoll und führt nach den Höhen auch in Tiefen, mein Lieber. Möge dir mein Beispiel als Warnung dienen: Ich, der ich nun bettelnd vor dir stehe, bin einmal ein König gewesen, doch Zeus hat mich gestraft; halte dir mein Los vor Augen, Gebieter, damit du erkennst, was der Zorn eines Himmlischen vermag!« So sprach Odysseus; Antinoos aber sprang auf und schrie: »Welcher Unsterbliche straft denn unser Gastmahl mit solch einer Plage! Wahrhaftig, das ist der unverschämteste Bettler, den ich je gesehen habe, und das will etwas heißen! Troll dich, rasch, ehe mein Zorn dich trifft!«
    »Nicht bevor du mir gegeben hast«, erwiderte Odysseus.
    »Nun, so nimm meine Gabe«, rief Antinoos und packte den Schemel, auf den die Männer beim Gastmahl die Füße stellen, und warf ihn mit voller Wucht Odysseus an die Schulter. Er traf ihn knapp über dem Halsgelenk, und jeden anderen hätte der Wurf zu Boden gestreckt; Odysseus aber stand aufrecht und wankte nicht. Er schüttelte nur schweigend den Kopf und ging dann zur Schwelle zurück. Die anderen Freier aber zürnten Antinoos, dass er das Gastrecht verletzt und einen Hilfeflehenden unbeschenkt von der Tafel gewiesen hatte; die Götter, so redeten sie heimlich untereinander, könnten ihnen darob grollen und ihnen einen bestimmtenVorsatz wehren, und sie meinten damit die Ermordung Telemachs. Antinoos lachte zu ihren Worten; Telemach und Odysseus aber blickten einander in die Augen, doch Odysseus winkte noch nicht, denn es war noch zu früh. Dann setzte er sich wieder auf die Schwelle und sättigte sich.
    Indes war Eumaios zu Penelope gegangen und hatte ihr berichtet, ein fremder Bettler, der zusammen mit Odysseus vor Troja gekämpft haben wolle, sitze unten an der Tür im Staub. Als die Fürstin das hörte, war sie sehr begierig, den Fremden zu sprechen, und wollte ihn sofort zu sich bitten lassen, allein Eumaios gab ihr zu bedenken, dass dies nur die Freier beunruhigen könne; sie möge, so riet er, die Nacht abwarten und sich dann mit dem Fremden heimlich unterreden. Das schien Penelope ein verständiger Rat, und sie handelte nach den Worten des Alten.

Der Bettlerzweikampf
    Indes war Iros, ein weithin berüchtigter Vielfraß und Vagabund, der bettelnd und gaukelnd und Possen reißend die Straßen der Inseln zu durchwandern pflegte, in den Palast

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