Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Titel: Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Fuehmann
Vom Netzwerk:
wäre Eumaios, der gerade Stierleder zu Sohlen zuschnitt, nicht aus seiner Hütte gestürzt und mit wütenden Rufen und Steinwürfen über die Koppel hergefallen. »Ach, Alter«, seufzte der Hirt, nachdem er die Hunde vertrieben hatte, und zog den Fremden in die geschützte Stallung, »ach du guter tö richter Alter, was hättest du mir durch deinen Unbedacht wohl für ein herbes Leidangetan!Wie konntest du dich nur ungerufen und ungewappnet einem Schweinelager nahen? Ist’s nicht genug, dass ich mich im Gram um meinen König Odysseus verzehre – hätte ich nun auch um dich,Väterchen, mein Leben lang jammern sollen?«
    So sprach Eumaios, dann schlachtete er zwei Ferkel, nahm sie aus, sengte und teilte sie und bestreute die Stücke mit Mehl und briet sie, opferte von diesem bescheidenen Mahl die fettumwickelten Knochen den Göttern und bewirtete den Gast mit Fleisch und Weißwein, und während Odysseus es sich schmecken ließ, hob Eumaios wieder an, um den dahingeschiedenen Herrn zu klagen und das wüste Treiben der Freier mit flammenden Worten zu geißeln. Odysseus war gerührt und er grimmt zu gleich; er hätte sich gern dem Wackren enthüllt, doch er wollte erst noch dessen Treue prüfen, und also stellte er sich an, als ob er noch nie den Namen des Königs, um den der Hirt trauerte, vernommen habe, und ließ sich ihn von Eumaios nennen. »Nimmer werde ich ihn sehen, der von allen Königen dieses Landes der beste und verständigste war!«, seufzte der Sauhirt, und Tränen standen in seinen Augen. »Wie weise war doch sein Rat, wie blühend sein Land, wie stattlich sein Reichtum! Zwölf Herden Rinder, zwölf Herden Schafe, zwölf Herden Schweine und elf Herden schweifender Ziegen nannte er sein Eigen; nun schmelzen sie zusammen wie der Bergschnee im Sommer, denn die Freier sind unersättliche Schlinger! Ach, kehrte er doch heim, sie zu strafen, der geliebte König, den ich immer nur meinen älteren Bruder nannte! Aber das wird wohl nimmer geschehen!«
    »Alter, ich sage dir, noch ehe der Mond, der heute am Himmel verlischt, sich wieder zur vollen Scheibe gerundet hat, wird der König vor dir stehen«, erwiderte Odysseus. Eumaios aber schüttelte den Kopf. »Zu oft schon habe ich solche Orakel gehört«, erwiderte er, »und immer ist meine Hoffnung betrogen worden. Rechnet doch jeder auf eine gute Bewirtung, der vorgibt, Nachricht von dem Verschollenen zu bringen, und sich als dessen Freund und Bekannter aufspielt. Jeder der Fremden, der hierherkam, will Odysseus gesehen haben: der Eine in Ägypten, der Andere auf Kreta, der Dritte im wilden Asien; jedermann hat mit seiner Bekanntschaft geprahlt und ist reich beschenkt von dannen gewandert und hat doch nichtsanderes getan als in den Wind gelogen und unsere längst erstorbene Hoffnung unnütz ein Weilchen wieder flackern gemacht! Siebenmal sind wir auf solche Lügner hereingefallen; nun aber glaube ich derlei Märlein nicht mehr!«
    »Und ich wiederhole dir«, erwiderte Odysseus, »noch ehe der Mond sich zur vollen Scheibe gerundet hat, wird dein König vor dir stehen; habe ich aber gelogen, dann magst du mich vom höchsten Felsen der Phorkysbucht in die donnernde Brandung stürzen!«
    »Wer bist du, dass du so sprechen kannst?«, fragte Eumaios.
    »Ich bin ein Bettler, der einst ein mächtiger König war, vor Troja kämpfte, deinen Herrn dort kannte wie sein eigenes Ich und der nach einer mühvollen quälenden Irrfahrt schließlich auf diese Insel verschlagen wurde«, erwiderte Odysseus.
    »Und woher willst du wissen, dass mein Herr zurückkehren wird, ehe sich der Mond zur vollen Scheibe gerundet hat?«, fragte der Hirt.
    »Von den Göttern«, antwortete Odysseus.
    Indes waren die drei Gehilfen des Sauhirten gekommen, und Eumaios richtete ein Abendmahl. Er schlachtete ein Schwein, weihte die besten Teile den Göttern, briet dann das Übrige am Spieß und teilte es redlich mit seinen Männern. Dem Gast aber setzte er den unzerschnittenen Rücken vor und schenkte ihm wieder Wein im hölzernen Becher. Zum Fleisch aßen sie Brot, das der Sauhirt für eigene Habe eingetauscht hatte, denn das wenige Korn, das auf der kaum bestellten Insel noch gedieh, verbrauchten die Freier für sich allein. Dann bereitete Eumaios seinem Gast ein weiches Lager und deckte ihn sorgsam mit seinem einzigen Mantel zu.
    Es war eine stürmische Nacht, vom Westwind durchheult, regentriefend und finster. Odysseus legte sich zu den drei Hirten; Eumaios aber hüllte sich in ein Ziegenfell,

Weitere Kostenlose Bücher