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Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
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verfolgt. Leider konnte Tetzlaff über den Untergang des Flugzeugträgers «Glorious» keinen Augenzeugenbericht geben. Seine Gefechtsstation war in der Zentrale. Nur ein kleiner Teil der Besatzung hatte den Kampf mit dem riesigen britischen Schiff wirklich gesehen. Allerdings wurde die «Scharnhorst» eine Stunde später von einem britischen Zerstörer torpediert und mußte nach Drontheim abgeschleppt werden.
    «Wo ist denn die jetzt?» wollte Apelt wissen.
    «Geheimsache», sagte Tetzlaff kurz. Ein Schatten lief über sein Gesicht. Vor wenigen Tagen erst war das Unglück geschehen. Britische Torpedoflieger hatten das im Hafen von Brest liegende Schlachtschiff trotz Vernebelung aufgespürt und schwer getroffen. Es würde Monate dauern, bis die Schäden beseitigt wären.
    Die drei bemerkten Tetzlaffs Enttäuschung nicht. Sie hielten es für selbstverständlich, daß über Standort und Einsatz von Kriegsschiffen nicht gesprochen werden durfte. Tetzlaff ließ durchblicken, daß er bald auf ein anderes Dickschiff umsteigen werde. Die Jungen tippten sofort auf «Bismarck» oder «Tirpitz», die 1939 vom Stapel gelaufen, aber noch nicht in Dienst gestellt waren. «35000 Tonnen!» riefen sie wie aus einem Munde.
    Tetzlaff grinste. «Von wegen 35000! Ihr Spunde habt keine Ahnung, was los ist. Die Töppe haben glatt 41000, wenn nicht mehr. Die hat ja schon 31800!»
    «Aber das ist doch gegen die Vereinbarung über Höchsttonnage», sagte Gerber erstaunt.
    Mit einer lässigen Handbewegung wischte Tetzlaf das deutsch-englische Flottenabkommen aus dem Jahre 1935 vom Tisch. «Was heißt hier Vereinbarung! Wir werden den Krieg gewinnen, und da soll uns hinterher mal jemand mit vergilbten Dokumenten kommen!»
    Das Gespräch mit dem Leutnant war in vielerlei Hinsicht aufschlußreich. Er sagte «zwozehn», wo normale Sterbliche «zwölf» sagen, sprach von W'haven, wenn er Wilhelmshaven meinte, und gebrauchte unverständliche Abkürzungen wie M-Bock und VP-Boot. Als die drei um Aufklärung baten, lachte er. «Da kann man nichts machen, das ist der Mafi- der Marineabkürzungsfimmel.» Seine Erzählungen vom täglichen Betrieb auf einem Schlachtschiff waren gespickt mit seemännischen Fachausdrücken. Die drei kamen oft nicht mit, hüteten sich aber, es merken zu lassen. Sie rechneten sich schon ein wenig zur Seefahrt und wollten nicht als «Badegäste» gelten.
    Der Nachmittag in der Konditorei machte ihnen bewußt, wie mangelhaft ihre terminologischen Kenntnisse waren. Das konnte später üble Folgen haben. In einem Antiquariat fanden sie nach langem Suchen eine Schwarte mit alphabetisch geordneten Begriffen der Seemannssprache.
    Das Gelernte wurde in die Praxis umgesetzt. In der Mathematikstunde sagten sie «zwozehn». Verblüft fragte Hollmann, was damit gemeint sei. Beim Lüften während der Pause wurde ein «bull-eye» aufgemacht; blies draußen ein schöner «steam», waren die «Schotten» dichtzuhalten. In der letzten Stunde, wenn der Zeichenlehrer sagte, die Schüler könnten schon langsam ihre Sachen zusammenpacken, gaben sie den Befehl «Aufklaren!» weiter. Als dann «Ausscheiden» befohlen war, liefen sie auf Heimatkurs zum «Backen und Banken».
    Die Lehrer duldeten wohlwollend das auffällige Benehmen. «Non scholae, sed vitae discimus», stand über dem Portal der Anstalt. Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir. Das Leben, für das die drei zu lernen hatten, war der Krieg.
    Der schlimmste Tag im Jahr war für den Flottenverein der «Tag der Wehrmacht». Er wurde mit großem Aufwand begangen. Kasernen und Flugplätze standen jedermann offen. Außerdem gab es markenfreies Essen.
    Die ABC-Schützen pilgerten schon am frühen Morgen zum Fliegerhorst. Hier durften sie in Schulflugzeugen sitzen, einen Fallschirm umlegen, am Bombenzielgerät ein paar «Eier» abwerfen oder eine Wetterstation besichtigen. Dabei schnappten sie zahlreiche neue Fachausdrücke auf, mit denen sie sich in der Schule brüsteten.
    Die Heeresgruppe wiederum linste in ein Scherenfernrohr, saß im Fahrraum eines leichten Panzerwagens oder konnte gegen ein mäßiges Entgelt einige Platzpatronen aus alten MGs verfeuern. Wer fünfzig Pfennig opferte, durfte sogar aus einem Feldgeschütz eine Kartusche knallen lassen.
    An den militärischen Objekten standen freundliche Feldwebei, die auf alle möglichen und unmöglichen Fragen erschöpfend Auskunft erteilten. Die übrigen dreihundertvierundsechzig Tage im Jahr waren

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