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Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
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desertiert.»
    Gerber atmete auf. Der Oberleutnant schien zufrieden. Behaglich lehnte er im Sessel und betrachtete seinen gewaltigen Bauch, den er sich in Frankreich angefressen hatte. Für Leute wie Kloss konnte der Krieg ewig dauern.
    «Also gut, Oberfähnrich Gerber, Sie wollen zu unserer Flottille», sagte er. «Meinetwegen. Ich erwarte, daß Sie sich als Zweiter Wachoffizier bewähren. Wann können Sie einsteigen?»
    «Sofort, Herr Oberleutnant!»
    «Geht in Ordnung. Übermorgen sind Sie bei uns.»
    Teller und Gläser waren leer. Oberleutnant Kloss erhob sich ächzend, griff nach Dolch und Mütze und verließ das Lokal, gefolgt von Oberfähnrich Winter. In der Tür drehte Winter sich noch einmal um und zwinkerte Gerber zu.
    Gerber durfte alles bezahlen. Einschließlich der Trinkgelder für die beiden Frauen kostete ihn der Abend mehr als den Wehrsold eines ganzen Monats.
    Zwei Tage später befand er sich auf seinem neuen Boot.

 
    15. Kapitel
    Gefährliches Fahrwasser
    Gerber meldete sich beim Kommandanten. Der blonde, vierschrötige Mann mit dem kantigen Schädel schaute ihn eine Weile stumm an und nickte kurz. Formlos drückte er seinem neuen II WO ein dickes, abgegriffenes Buch in die Hand. Es enthielt eine genaue Beschreibung des Bootes vom Bug bis zum Heck, von der Bilge bis zur Mastspitze. «Achtundvierzig Stunden, dann Prüfung!» - das war alles, was er zur Begrüßung sagte.
    Der Kommandant hieß Zechmeister. Er stammte aus Ostfriesland und war so wortkarg wie kaum ein zweiter. Alte Fahrensleute behaupteten, er habe noch nie einen ganzen Satz auf einmal gesprochen. Sogar zehn Worte gelangen ihm nur mit größter Anstrengung. In seinem Telegrammstil sagte er jedoch in einer halben Minute mehr als ein Parteiredner in drei Stunden.
    Der I WO, Leutnant zur See von Heyde, war um so redseliger. In endlosen Tiraden hechelte er von der Kurbrandenburgischen Flotte bis zur gegenwärtigen Seekriegslage, vom Oberkommando der Wehrmacht bis zum jüngsten Matrosen alles durch.
    Bei Gerbers Erscheinen saß er gerade über Schulungsheften, die er als «Nationalsozialistischer Führungsoffizier» der Flottille bekommen hatte. In dieser Eigenschaf t mußte er auf jedem Boot einmal in der Woche politischen Unterricht halten. Eine Stunde war dafür im Dienstplan vorgesehen; von Heyde brauchte meistens das Doppelte. Er berauschte sich an seinen eigenen Worten und geriet derart in Begeisterung, daß er jede Beziehung zur Umwelt verlor. Selbst lautes Geschnarche der Männer, die spätabends von Land zurückgekehrt waren, konnte seinen Redefluß nicht hemmen. Die Besatzungen rechneten ihm das hoch an.
    Heyde war schon fast zwei Jahre Leutnant. Er hoffte demnächst befördert zu werden und womöglich das Kommando eines Bootes zu bekommen. Seine jetzige Stellung betrachtete er als Sprungbrett.
    «War gar nicht so leicht für mich, in diese aktive Flottille einzusteigen», sagte er geschwätzig. «Ich gehöre nämlich, müssen Sie wissen, erst seit einem halben Jahr dazu. Schwein muß man haben, Herr Kamerad! Vorher war ich auf einem alten Dampfer, auch hier in Malo. Auf diesem schäbigen Schlickrutscher hatten wir einen Reserveheini als Kommandanten, irgend so eine trübe Beamtenseele. Unter seiner Lotterwirtschaf t war die Besatzung total vergammelt. Habe da erst mal Ordnung in den Laden gebracht. Der schlafmützige Kommandant hieß übrigens Häfner ... »
    Gerber erschrak. Sein neuer Vorgesetzter war also jener fiese Schnüffler, von dem Vogel damals gesprochen hatte.
    Heyde schwatzte weiter und blätterte dabei in Gerbers dickem Führungsbuch. Plötzlich stutzte er. «Minensuchboot 4600? Na so was! Da kennen Sie ja den ganzen Haufen. Was halten Sie denn von Häfner?»
    «Damals war ich noch Matrose,., sagte Gerber ausweichend. Heyde lächelte überheblich. «Als Matrose hatten Sie natürlich nicht die Übersicht. Aber die Besatzung können Sie doch beurteilen.»
    Gerber spürte das Lauern in Heydes Stimme und gab sich harmlos. Er erzählte von Althoff, Schabe, Kehlhus, kritisierte den lässigen Dienstbetrieb. Als er innehielt, kam wie aus der Pistole geschossen die Frage: «Und der Maschinengefreite Hansen?»
    Gerber sah den Fallstrick, den Leutnant von Heyde gespannt hatte. Ein falscher Piep, und er saß wieder im alten Schloß, als Kandidat für den General Heldenklau. Jetzt war äußerste Vorsicht geboten.
    «Hansen isolierte sich von der Besatzung, er ging meistens allein an Land und ... »
    Heyde schnitt ihm das Wort

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