Irrflug
will was von uns.”
„Altmann?”, hakte Rottler nach, als wüsste er nicht längst, wie der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens den Finanzschnüffler seit Monaten verächtlich betitelte.
„Hat heute schon irgendwas von Bargeschäften geredet, die ihm aufgefallen sind“.
Rottler kniff die Augen zusammen und blickte auf den Lautsprecher des Telefonapparats. „Und jetzt?”
„Ich habe ihn angewiesen, die Fragen schriftlich zu fixieren. Er weiß, dass du heute nicht da bist.”
„Okay. Dann werden wir sie auch schriftlich beantworten. Das verzögert die Sache erst mal. Lassen wir ihn schmoren.”
Rottler stand auf und ging zu einer der großen Fensterwände hinüber. Er holte tief Luft und schaute durch das grüne Blätterkleid der Bäume zum sommerblauen Himmel hinauf. Das wäre heute ein traumhafter Tag zum Fliegen gewesen, dachte er bei sich.
In den Mittagsnachrichten der Rundfunkstationen waren Kurzmeldungen über das Verbrechen auf der Hahnweide nun landesweit verbreitet worden – verbunden mit der Fahndungsmeldung nach dem Flugzeug. Das Landeskriminalamt hatte außerdem bundesweit die Medien verständigt. Offenbar wurde das Ereignis von den Journalisten dankbar aufgenommen, zumal es nicht alltäglich war, dass ein Flugzeug gesucht wurde. Außerdem passte das Ereignis zu der negativen Grundeinstellung, die die Medien zur Privatfliegerei hatten – aus reiner Unkenntnis, wie die Hobby- und Geschäftspiloten seit Langem verärgert feststellten. Denn was da meist geschrieben und verbreitet wurde, ließ nur erkennen, dass die Autoren keinerlei Ahnung von der Materie hatten, sich aber erdreisteten, die öffentliche Meinung gegen die Fliegerei aufzuhetzen.
Schon deshalb war sich Kripo-Chef Markus Deutschländer ziemlich sicher, dass der Fall in den Medien entsprechend aufgebauscht werden würde. Ein Umstand, der ihm bei den Ermittlungen zugute kam. Wenn dieses Flugzeug irgendwo gelandet war, dann gewiss nicht unbemerkt. An einem solchen Sommertag hielten sich genügend Menschen in freier Natur auf. Und irgendwo musste die Maschine inzwischen stehen. Wenn sie nicht gar abgestürzt war. Aber dies wäre erst recht aufgefallen.
Deutschländer hatte wieder eine Pizza mit Knoblauch gegessen. Sein Kollege Knödler, der sich nur schnell bei einem Metzger einen Leberkäswecken besorgt hatte, stellte dies sofort naserümpfend fest, als der Kripo-Chef nach der kurzen Mittagspause das Büro betrat.
„Esslingen will, dass wir eine Sonderkommission gründen”, teilte Knödler seinem sichtlich verwunderten Chef mit, der sich in seinen Bürosessel sinken ließ.
„Hm”, machte er nachdenklich.
„Wegen der landesweiten Bedeutung, Luftfahrt und so”.
„Da will doch nicht etwa irgendein Schwachkopf einen terroristischen Hintergrund konstruieren?”
„Doch, doch”, entgegnete Knödler, „es soll in Medienberichten bereits davon die Rede gewesen sein. Du weißt ja, 11. September und so. Oder der Verrückte, der im Januar um die Hochhäuser von Frankfurt rumgeschwirrt ist.”
„Wenn unser Täter so was hätte tun wollen, hätt’ er’s getan, bevor auch nur ein Mensch den Diebstahl des Flugzeugs bemerkt hätte. Denn spätestens jetzt”, Deutschländer schaute auf die Armbanduhr, „ach, was, schon vor zwei, drei Stunden, ist dem Kerl der Sprit ausgegangen.”
Deutschländer wusste, dass es keinen Sinn machte, dem Chef in der Esslinger Direktion zu widersprechen. Er rief ihn deshalb an und ließ sich Instruktionen geben und erfuhr, dass ihm der Kriminalrat die Leitung der Kommission übertrug, die aus einem Dutzend Beamten bestehen sollte. Die meisten davon würden von Esslingen nach Kirchheim kommen. Und zwar sofort.
Weil in den beengten Räumlichkeiten der Kriminal-Außenstelle natürlich kein Platz für eine Sonderkommission war, hatte man bereits vor geraumer Zeit Abhilfe geschaffen: Rund zwei Kilometer entfernt beim Polizeirevier in der Dettinger Straße. An die dortige Jugendstil-Villa, die sich inmitten einer parkähnlichen Anlage befand, war ein großer Konferenzraum angebaut worden, der alle logistischen Voraussetzungen für die Arbeit einer Sonderkommission bot. Deutschländer rief bei den uniformierten Kollegen an und bat sie um Unterstützung bei der Vernetzung diverser Computer. Unterdessen schob ihm Knödler drei gefaxte Blätter über den Tisch. „Die Piloten-Liste von der Hahnweide.“
Deutschländer beendete das Telefongespräch und überflog die Papiere. Er schätzte, dass
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