Irrflug
Sternfahrt zu ihren Büros machen, um selbige nachmittags in die Gegenrichtung wieder anzutreten. Längst wäre es möglich, Büro-Arbeitsplätze daheim einzurichten und damit einen riesigen Beitrag zur Entlastung der Verkehrsnetze und Straßen zu leisten. Neue Straßen bräuchten, so hatte Altmann schon oft argumentiert, kaum noch gebaut zu werden, wenn die Rushhour einzudämmen wäre. Aber offenbar lag es an der Mentalität der Unternehmer, ihre Büro-Angestellten um sich zu scharen und arbeiten sehen zu können. Dabei wäre entsprechende Heimarbeit ohne weiteres am Computer zu überwachen – zumal dies, das wusste Altmann, doch innerhalb der Betriebe ohnehin längst praktiziert wurde. Denk- und Verwaltungsarbeit wäre nicht mehr nach Stunden zu bezahlen, was ohnehin Schwachsinn war, weil pure Anwesenheit im Büro noch lange nicht mit Produktivität gleichzusetzen ist, sondern nach der tatsächlich bewältigten oder benutzten Datenmenge.
Also nicht ganz dumm dieser Steinke, dachte er bei sich und war gespannt, was dieser Firmen-Boss ihm sonst noch zu berichten hatte.
„Ich will Ihnen mal einen Einblick geben”, meinte der und lehnte sich zurück.
Die Sonne hatte ihren Tageshöchststand knapp überschritten, in der Luft lag der bläuliche Sommerdunst. Trotz des traumhaften Wetters waren auf der Hahnweide keine Flugzeugmotoren zu hören. Noch immer herrschte Startverbot, weil die Spurensicherer hofften, im weiteren Umkreis irgendwelche Gegenstände zu finden, die auf das Verbrechen hätten schließen lassen. Viele der Flugschüler, Charter-Piloten und Segelflieger hatten sich’s auf der Terrasse der Flugplatz-Gaststätte gemütlich gemacht und diskutierten die Ereignisse. Inzwischen war eine Hundertschaft der in Göppingen stationierten Bereitschaftspolizei aufgezogen. Die Beamten, ausschließlich junge, die gerade ihre Ausbildung absolvierten, bildeten eine Suchkette und gingen im Abstand von zwei Metern über die Wiese der Rollbahn. Kripo-Chef Deutschländer nahm diese Aktion zufrieden zur Kenntnis, als er mit seinem Golf vor dem Bürotrakt der Motorflugschule parkte und in das Gebäude hineinging.
Schulungsleiter Hauff bot ihm wieder einen Platz am Schreibtisch an.
Deutschländer zog die zusammengefalteten Faxblätter aus der Hosentasche und bedankte sich für die prompte Erledigung.
„Kein Problem, ist denn die ›Echo-Bravo‹ schon aufgetaucht?”, fragte Hauff nervös.
Der Kriminalist schüttelte ernst den Kopf. „Nein, trotz unserer intensiven Fahndungen nicht.”
„Der Sprit jedenfalls ist längst aufgebraucht”, stellte der Chef der Motorflugschule sorgenvoll fest und blätterte in einem Schnellhefter, der vor ihm auf der Tischplatte lag, „inzwischen haben wir ausgerechnet, wie viel die ›Echo-Bravo‹ noch im Tank gehabt haben muss.”
Deutschländer lehnte sich zurück und lächelte zufrieden. „Und?”
„Es ist davon auszugehen, dass der Tank voll war, zumindest ziemlich.”
„Ach, dann hat unser Täter also eine ziemliche Strecke zurücklegen können?”
„Ja, der Sprit hat auf jeden Fall vier Stunden gereicht. Das sind 360 Meilen, ungefähr also 650 Kilometer.”
„Durch die halbe Republik und nach Italien”, stellte Deutschländer überschlägig fest, um weiter zu fragen: „Wie kommen Sie zu dieser Berechnung?”
„Unsere Tankstellen-Automatik registriert jede Tankung und ordnet sie dank eines speziellen Schlüssels dem jeweiligen Flugzeug zu. Die Flugschüler und Charter-Kunden tanken, davon ist auszugehen, meist voll, sobald die Tankanzeige deutlich unter die Hälfte gefallen ist. Dazu gibt es natürlich auch entsprechende Vorschriften”, erklärte der Experte und setzte seine schmale Lesebrille auf, um in dem Schnellhefter zu lesen: „Die ›Echo-Bravo‹ wurde demnach gestern dreimal betankt. Zweimal war sie offenbar bis zur Hälfte leergeflogen und jedes Mal wieder ganz befüllt worden. Das erste Mal um 9.33 Uhr, also wohl vor dem gestrigen Flugbetrieb. Das zweite Mal um 15.09 Uhr. Sie wurde dann noch einmal befüllt, das war um 19.33 Uhr. Allerdings war der Tank bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal ein Viertel leergeflogen.”
Deutschländer stutzte. „Ist so was ungewöhnlich?”
„Nein, keinesfalls, es gibt Piloten, die grundsätzlich vor ihrem Flug voll tanken, egal, wie weit sie fliegen wollen. Ist auch nicht zu beanstanden.”
Der Kriminalist verschränkte die Arme. „Und wie weit ist dieser Pilot gestern Abend noch geflogen?”
„Nicht mehr
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