Irrflug
offenbar in der Gewalt dieses Rottlers, der ihm diesen ganzen Schlamassel eingebrockt hatte, auf den er gehört und vertraut hatte, der eigentlich sein einziger Vertrauter war. Und nun zeigte es sich, dass alles ganz anders, als ausgemacht eingefädelt war, dass dieser falsche Hund nur sein eigenes Schäfchen ins Trockene gebracht hatte.
Der Hubschrauber schwebte am Hochplateau von Oberböhringen vorbei, dicht vor Steinke der Steilabfall ins obere Filstal mit den atemberaubenden Felsenwänden über Hausen.
Steinke wischte sich mit dem linken Handrücken den Schweiß von der Stirn. Dann drückte er wieder die Mikrofontaste: „Gib mir Melanie.”
„Nichts da”, entschied Rottler energisch, „wir haben keine Zeit für Liebesgeflüster. Kommen wir zur Sache – und zwar schnell. Hast du mich verstanden?”
Steinke schloss für einen Moment die Augen. „Was will’sch du von mir?”
„Ein Geständnis”, kam es zurück, „ein Geständnis, und zwar sofort. Ein Geständnis, das du hier und jetzt vor all den Ohrenzeugen ablegen wirst, die unser Funkgespräch verfolgen. Vor allem vor dem Kommissar Häberle.”
„Was will’sch du höra?”, fragte Steinke mit trockenem Mund, während sein Blick nach links auf Bad Überkingen fiel, dessen Ortsbild von den markanten Firmengebäuden der Mineralbrunnen AG geprägt war.
Rottler antwortete energisch: „Ich will hören, dass du es warst, der mir den Auftrag gegeben hat, die Millionen zu beseitigen. Du allein. Dass ich sie zwar abgehoben hab’, aber mit deinem Wissen und mit deiner Unterstützung. Dass allein du es warst, der mich zu den dunklen Geschäften genötigt hat. Hab’ ich mich klar und deutlich genug ausgedrückt?”
Der Geschäftsmann rang wieder nach Luft. Ihm war heiß, so jämmerlich heiß. Er fühlte sich in die Enge getrieben, erpresst, bedroht, im Würgegriff von allen Seiten. Der Co-Pilot, der die Pause bemerkte, drehte sich wieder zu ihm um und ermunterte ihn mit Handzeichen weiterzureden.
Steinke drückte schließlich wieder auf den Mikrofonknopf. „Du will’sch behaupta, du hätt’sch selber kein’ Pfennig wegg’schafft?”
Rottlers Stimme hörte sich bedrohlich an: „Das will ich nicht nur behaupten, mein Lieber, das ist die Wahrheit. Begreif’ das endlich!”
Der Hubschrauber hatte das obere Filstal überflogen und strebte jetzt auf die Windkrafträder von Amstetten zu. Steinke hatte einen hochroten Kopf – nicht nur der Hitze wegen, bemühte sich aber, klar und deutlich zu sprechen: „Glaubst du, du kommt ungeschoren davon? Meinst du, die lassen dich abhauen? Irgendwann geht dir doch der Sprit aus!” Steinke hielt den Mikro-Knopf fest, um noch mit gewisser Verzweiflung hinzufügen zu können: „Und was ist mit meiner Frau?”
Die Antwort kam verzögert: „Das lass’ mal meine Sorge sein. Also”, er änderte den Tonfall, „wer hat die Knete beseitigen wollen. Du oder ich? Antworte!”
Der Mann schwieg. Wieder drehte sich der Co-Pilot um. Inzwischen hatten sie die Bahnlinie Stuttgart-Ulm erreicht, die bei Amstetten die Geislinger Steige hinter sich lässt und vollends die Albhochfläche erklimmt. Steinke sah, dass sie gerade einen bergaufwärts fahrenden ICE überholten.
Rottlers Stimme krächzte wieder: „Nur zur Klarstellung, Frederik: Falls du vorhast, mich tief in die Scheiße reinzureiten, schmeiß’ ich die Kiste an den Münsterturm. Und zwar mit deiner Frau. Ist dir das klar?” Pause.
Der Co-Pilot forderte Steinke mit Handzeichen auf, sich wieder zu melden. Er kam dieser Bitte sofort nach, während unten am Amstetter Ortsrand das große Fabrik-Areal der ›Heidelberger Druckmaschinen‹ vorbeizog. „Du versprichst mir, dass meiner Frau nix passiert.” Es klang nach Frage und Aufforderung gleichermaßen. Er wollte sich nicht anmerken lassen, dass sich die Sorge um Melanie in Grenzen hielt. Viel zu viele Ohren belauschten dieses Funkgespräch.
„Ich höre …”, bellte Rottlers Stimme durchs Cockpit.
Zwischen Urspring und Reutti erreichte der Helikopter die Albhochfläche, die von vielen Senken und Mulden durchzogen war.
Steinke blickte auf ein weites Waldgebiet hinab. Sein Puls raste, seine Gefühle fuhren Achterbahn. „Es mag ja sein”, begann er zögernd und wohl überlegt, „es mag ja sein, dass ich dir die Anweisungen gegeben habe. Aber letztlich bist du mein Finanz-Chef, Olaf. Auch du hast illegal gehandelt.”
Kaum hatte er die Frequenz freigegeben, bäffte Rottler zurück: „Aber du bist der
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