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Irrflug

Irrflug

Titel: Irrflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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die Augen zusammen und verharrte einen Augenblick. Vor ihm führte der Waldweg nun in die freie Landschaft hinaus. Die Bäume hoben sich schwarz von dem mondhellen Himmel ab, die Sträucher am Wegesrand wirkten bizarr, als seien es schwarze, zerklüftete Klumpen. Für einen kurzen Moment hatte der Mann geglaubt, Schritte gehört zu haben. Er drehte sich um, doch der Weg, der sich hinter ihm in der Dunkelheit des Waldes verlor, war – soweit er es wahrnehmen konnte – menschenleer.
    Er umklammerte jetzt mit beiden Händen den zusammengerollten Schnellhefter und verspürte plötzlich Angst. Er ging langsam vorwärts, sah im Augenwinkel die schwarzen Silhouetten der hoch gewachsenen Buchen, deren Stämme wie Säulen aus dem Unterholz ragten. Ihn überkamen Zweifel, ob es wirklich sinnvoll gewesen war, sich auf diesen Treffpunkt einzulassen. Da, er zuckte zusammen, am nahen Waldrand schien sich etwas zu rühren. Irgendwie hatte er zwischen den nachtschwarzen Sträuchern eine Bewegung gesehen, die vor dem aufgehellten Hintergrund zu erkennen war. Nur einen Augenblick zwar, aber er war sich sicher, dass da jemand sein würde. Der Mann blieb stehen, fast wie gelähmt, hielt den Atem an. Mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass er inmitten des Waldwegs eine gute Zielscheibe abgeben würde. Er spürte Gänsehaut, seine Glieder schienen abzusterben, die Knie wurden weich. Seine feuchten Hände verkrampften sich um den zusammengerollten Schnellhefter. Verdammt, dachte er sich, er war in einen Hinterhalt gelockt worden. Man wollte mit ihm nicht reden, nein, keine Probleme aus der Welt schaffen, sondern ihn … er versuchte den Gedanken zu verdrängen, doch da war er wieder, ja, man wollte ihn beseitigen. Er machte zwei, drei Schritte rückwärts, ganz langsam, wie in Zeitlupe, um sich dann blitzartig umzudrehen und wegzurennen. So gut es ging. Denn die panische Angst, die ihn befallen hatte, ließ alle Muskeln verkrampfen. Er rannte, rannte – einfach weg, hinein in den nachtschwarzen Wald. Seine Schritte knirschten auf dem gekieselten Untergrund. Und jetzt hörte er es, ganz deutlich, ganz ohne Zweifel: Rennende Schritte hinter ihm. Da war jemand. Jemand, der nicht mit ihm reden wollte.
    Der Schuss verhallte im Wald. Als sei es eine Fehlzündung eines Autos auf der nahen B 10 gewesen. Wenn hier irgendwo ein Liebespaar unterwegs war, dann dürfte es allenfalls kurz aufgeschreckt sein. Denn anschließend blieb alles wieder still. Totenstill.
     
    August Häberle war hundemüde. In der Kirchheimer Sonderkommission hatte Schichtwechsel stattgefunden. Deutschländer war nach Hause gegangen, hatte jedoch für Häberle einige interessante Erkenntnisse notiert.
    „Die Telekom hat reagiert”, stellte der Soko-Chef einigermaßen überrascht fest, als er die Aufzeichnungen las, die als Computer-Ausdruck fein säuberlich auf dem weißen Schreibtisch des Besprechungszimmers lagen. Häberle setzte sich auf einen der ungemütlichen Stühle, während sich zwei jüngere Kollegen ihm gegenüber niederließen. „Hat lange genug gedauert”, kommentierte einer der Kriminalisten, der seinen Kopf kahl geschoren hatte.
    „Hm”, machte Häberle und ging die Auflistung jener Telefonnummern durch, die Heidrun Pulvermüller im vergangenen Monat von zu Hause aus angewählt hatte.
    „Wir haben die meisten gecheckt”, sagte der andere Kriminalist, der sein strohblondes Haar ziemlich lang trug. Er schien auf Anerkennung zu warten.
    Häberle sah, dass sie hinter jede Nummer bereits einen Namen geschrieben hatten. „Irgendwelche Auffälligkeiten?”, fragte Häberle. Er war jetzt viel zu müde, um diese schätzungsweise 150 Namen durchzugehen.
    „Nur eine einzige Nummer passt in unsere Geschichte”, ereiferte sich der Strohblonde. Häberle runzelte die Stirn. „Und?”
    „Die Firma Steinke, elfmal angerufen in vier Wochen”, erwiderte der junge Kriminalist.
    „Ach?”, staunte Häberle und sah jetzt, dass diese Nummer jedes Mal mit einem Kugelschreiber unterstrichen war.
    „Eine Durchwahl”, stellte der Glatzköpfige fest, „wissen aber leider noch nicht, welche.”
    „Soll ich wetten?”, fragte Häberle, der plötzlich keine Müdigkeit mehr verspürte.
    „Sie denken an Rottler?”, fragte der Glatzköpfige.
    Häberle grinste. „Exakt. Ihr prüft morgen früh gleich, ob das seine Durchwahl ist.”
    Die beiden Kriminalisten nickten. Der Glatzköpfige meinte jedoch: „Aber eine Überraschung wird das wohl kaum geben, denn sie hat

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