Irrgarten Der Liebe
geschehn.
Maria strahlte wie ein Stern
Und hob das Kind empor;
Das war so hold und engelschön,
Wie nie ein Kind zuvor.
Die Wände sanken, und die Welt,
Die weite Welt war rings erhellt,
Und alles sang im Chor:
»O seht die Blume, die da blüht,
Die Blume weiß und rot!
Der Kelch ist von der Lilie,
Ein Herz darinnen loht.
Nun ist die ganze Erde licht,
Wir fürchten Schmerz und Trauern nicht
Und fürchten nicht den Tod.
Die Blüte leuchtet uns den Tag,
Und es versank die Nacht,
Und aus der Blüte wird die Frucht,
Die Alle fröhlich macht;
Die Frucht, die Allen Nahrung giebt,
Der Mensch, der alle Menschen liebt:
Die Liebe ist erwacht.«
Der Chor verklang. Es sank der Stall
In braune Dunkelheit.
Maria gab dem Kind die Brust.
Still ward es weit und breit.
Da ward Marien im Herzen bang,
Sie küßt ihr liebes Kindlein lang,
Ihr that ihr Kindlein leid.
Neujahrs-Choral
(Für Ludwig Thuille.)
Das ist des Weges Wende!
Nun hebt voll Dank die Hände:
Heil uns, wir stehn am Thor!
Dahinter ist es helle,
Es leuchtet auf der Schwelle
Das junge Licht hervor.
Was werden wir nun sehen,
Wenn sich die Flügel drehen?
Die immer gleiche Bahn.
Heil uns: das Ziel gewonnen!
Heil uns: aufs neu begonnen!
Der Gang hebt wieder an.
Es geht von Thor zu Thoren,
Und kein Schritt ist verloren,
Geht nur die Liebe mit.
Wohl dem, den sie begleitet!
Glück ist, wohin er schreitet,
Und fröhlich jeder Schritt.
Und mag in Nacht und Tagen
Uns böses Schicksal schlagen,
Wir bleiben doch getrost:
Uns ist zu jeder Stunde,
Uns ist für jede Wunde
Ein Balsam zugelost.
Die Liebe läßt auf Erden
Nicht müd und irre werden
Und keinen einsam stehn.
Auf Jahr mit Lust und Schmerzen!
Wir wolln mit reinen Herzen
Durch deine Pforte gehn!
Gedichte
Einleitende
Frühlingszuruf
Nun sich die Knospen aus den Zweigen drängen,
Blühende Kräfte morsche Bande sprengen,
Wohin du siehst, wacht alles fröhlich auf –:
Nun sei in deiner Seele rein und heiter,
Erzengel rechts und links dir als Begleiter,
Nimm in den Morgen fröhlich deinen Lauf!
Die Schwingen streifen dich an beiden Seiten,
Um dich der Engel Atem im Geleiten,
Wie muß dein Schritt jetzt frei und kräftig sein!
Schreit aus und glaube: Dir erklang das Werde!
Schick deine Blicke aus: Die ganze Erde
Blüht dir ans Herz: Was schön ist, das ist dein!
Denn der ist König über alle Dinge,
Und den berührt der Engel goldene Schwinge,
Der seine Blicke so aussenden kann,
Daß sie wie Adler Beute heimwärts tragen,
Und dem die Morgenstunden leuchtend sagen:
Du Mensch mit hellen Augen, nimm uns an!
Einem schönen Mädchen unter sein Bildnis
Wo sah ich das doch schon einmal?
Dies zart und liebliche Oval,
Die großen Augen tief und klar,
Dies bogenfeine Lippenpaar
Und diesen Strudel Lockenhaar?
Wo, wo? Und plötzlich seh ichs licht:
In Form und Farben ein Gedicht,
Das Botticellis teure Hand
Gedichtet auf die Leinewand.
Stand lange in Florenz davor,
Mich ganz in Schauens Lust verlor,
Andächtig zu der klaren Kraft,
Die uns in Schönheit Tröstung schafft.
Denn aller Schönheit höchste Huld
Ist Trost und Stille und Geduld.
Wer recht zu sehen weiß, der spürt
Sein Herz von Schwingen angerührt,
Die himmelher und heilig sind.
Ihr Wehen ist so lieb und lind
Wie Mutteratem über der Wiegen;
Du fühlst dich eingebettet liegen,
Liebeingefriedet wie ein Kind.
Dem Meister, der so hohes gab,
Legt Dankbarkeit den Kranz aufs Grab;
Der Schönheit, die ins Leben blüht,
Naht sich mit Wünschen das Gemüt:
Sei nicht bloß Schenkerin –: Beschenkte auch!
Im eignen Innern wohne dir der Hauch,
Den Schönheit atmet: Friede sei dein Teil!
Du lieb Gesicht, halt deine Seele heil!
Im Hause Thoma
(Für Frau Thoma.)
Stiller Heiterkeit ein Glanz,
Leisen Glückes leiser Tanz,
Schaffens frohe Kraft,
Heitrer Liebe stille Hut,
Schalkheit auch, das Kleinod gut,
Und die Meisterschaft.
Alles dies in
einem
Haus;
Keiner ging noch aus ihm aus,
Der das Glück nicht pries,
Das ihn hier in engem Raum
Einen guten klaren Traum
Leibhaft sehen ließ.
Stiller Gang
Stille geh ich meinen Gang
Wiesen, Wälder, Felder lang.
Was ich höre, was ich sehe,
Daß mir nichts vorüber wehe,
Fasse ichs in Verse ein,
Und die ganze Welt wird mein.
Sind wohl unscheinbare Dinge;
Mancher achtet sie geringe,
Und ein Nabob wird man
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