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Irrgarten Der Liebe

Titel: Irrgarten Der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Julius Bierbaum
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durch den Schornstein niederfährt der Wind.
     
    »Oh du, oh du, dich will ich! Tanz mit mir!
    Horch wie der Walzer weht!! Wie Südwind weht!!
    Horch, was die Geige heiße Worte singt!
    Wie Flammen fliegen ihre Töne hell,
    So heiß, so heiß! Oh, wie der Walzer brennt!
    Komm! In die Flammen tanzen wir hinein!«
     
    Da schwieg die Geige. Vom Orchester fiel,
    So wie ein Stein in sumpfig Wasser fällt,
    Daß träge Ringe wellenflach zergehn,
    Fiel dumpf ein Ton, wie eine Wolke grau,
    Ein Ton, wir wußten nicht, von wem er kam,
    Breit, langsam, schwer in unser Tanzgewühl.
     
    Das gelbe Gaslicht löschte zitternd aus.
    Ein nasser Eiswind fegte durch den Saal.
     
    Wir blickten auf: In Phosphorlichte stand
    Der nackte Tod am Dirigentenpult.
    Er stand verschränkten Arms und lächelte.
     
    Dann brach behutsam eine Rippe er
    Aus seinem Brustkorb, klopfte leise auf
    Und dirigierte, hingegeben ganz
    Den Tönen, die nur er vernahm, entzückt.
     
    In seinen Hüftenknochen wiegte er sich
    Und nahm das Tempo langsam bald, bald schnell,
    Rief bald die unsichtbaren Bläser an,
    Bald winkte er den Geigern. Hob und senkte sich
    Auf seinen Knochenbeinen, zierlich, ganz Musik.
     
    Wir alle standen aufgewandten Kopfs,
    Vor Schrecken starr, und sahn nur ihn, nur ihn.
    Denn um uns her war aller Nächte Schwarz.
    Dann aber fuhr in uns des Walzers Geist,
    Des unhörbaren, und wir wirbelten
    Im Tanze durch den kalten, finstern Saal
    Und wiegten uns und drehten uns verzückt,
    Und drückten Brust an Brust uns, stüsterten
    Von Sehnsucht und von Liebe, lächelten
    Und küßten uns im Tanz.
    Maestro Tod,
    Im Phosphorlicht am Dirigentenpult,
    Schwang seine Rippe. Tonlos tanzten wir.
     
    Es war ein Tanz so schön, wie nie vordem
    Wir einen noch getanzt. Wir kosteten
    Die Seligkeit des Blattes, das vom Baum
    In schwanken Kreisen herbstlich niederweht.
     
     

Himmlisches Abenteuer
     
    Heut Nacht war ich ein Reiter
    Und ritt Galopp, hussah,
    Tausend Meilen und noch weiter,
    Als ich ein Wunder sah.
    Was sah ich? Eine Leiter,
    Die stand im freien Felde da
    Und ging bis in den Himmel.
     
    Vom Pferd herabgeschwungen
    Und Spross' auf Sprosse hinauf.
    Vom Himmel hats gesungen:
    Komm schnell, komm, komm! Herauf!
    Da hab ich übersprungen
    Viel Sprossen schnell im heißen Lauf
    Und stieg bis in den Himmel.
     
    Da, auf der höchsten Sprossen,
    Im blauen Blumenkleid,
    Von lauter Licht umgossen,
    Ein Engel stand bereit.
    Den hab ich unverdrossen
    Geküßt die halbe Ewigkeit.
    Es küßt sich gut im Himmel.
     
    Da kam ein plötzlich Lachen
    Von meines Engels Mund:
    »Oh, oh, was heiße Sachen!
    Er treibt es mir zu bunt!«
    Es thät die Leiter krachen,
    Und ich saß unten auf dem Grund
    Und war nicht mehr im Himmel.
     
    Doch neben mir zur Seite
    Der liebe Engel stand
    Im blauen Blumenkleid
    Und gab mir seine Hand.
    Oh süße Augenweide:
    Da hab ich
sie
erkannt
    Und war erst recht im Himmel.
     
    Von Engeln ein Gewimmel
    Hat hell mich ausgelacht,
    Gekicher und Gebimmel –
    Ihr Engel, gute Nacht.
    Wir ha'm auf einem Schimmel,
    Kuß, hussa, Kuß, uns aufgemacht
    Direkt in unsern Himmel.
     
     

Dame Glück
     
    Nackt mit offenen Armen stand
    Einen Augenblick das Glück
    Dicht vor mir.
    Ei, was eine schöne Brust,
    Weiche Brust, volle Brust
    Hat die Dame Glück, es sind
    Rosenknospen zweie drauf:
    Wunderschön!
     
    Und wie küßt die Dame Glück!
    Heißer Kuß, drängender Kuß,
    Und man macht die Augen zu,
    Küßt das Glück.
     
    Auf die Schultern legte sie mir
    Ihrer Arme süße Last,
    Weiche Last, warme Last,
    Während sie mich küßte, lind.
    Ach, was bist du wunderhold,
    Dame Glück.
     
    Und ich that die Augen auf,
    Wollte tief ihr einmal sehn
    In das sonnige Augenpaar, –
    Ach, ach, ach –:
     
    Ausgeloschen war das Licht,
    Leere Höhlen grinsten mich an,
    Eine dürre Vettel stand
    Dicht vor mir.
     
    Rippenhart die runzlige Brust,
    Lippenlos ein geifernder Mund,
    Spitz der Arm und knöcherig.
     
    Pfui, Madame! Ist das ein Scherz,
    Ist er nicht nach meinem Geschmack.
    Als Verwandlungskünstlerin
    Haben Sie vielleicht Erfolg
    Im Théâtre-Variété,
    Nicht bei mir.
     
    Und die Dame drehte sich
    Langsam um und ging hinaus,
    Durch die andre Thüre kam
    Meine Frau herein. – Ich Thor!
    Mir geschieht ganz recht: Warum
    Gab ich mich mit Weibern ab.
    Künftig will ich treuer sein!
     
     

Licht
     
    Ich lag in Trübsinns Klammer
    In dicht verschloss'ner Kammer,
    Nacht war es um mich her.
    Nur auf der Fensterschwelle
    Lag breit ein Streifen

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