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Irrgarten Der Liebe

Titel: Irrgarten Der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Julius Bierbaum
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flötet er. Das klingt,
    Wie wenn zwischen frischem Moose
    Ueber Kiesel, glatte große,
    Eine helle Quelle springt.
    Wie des blauen Flieders Duft
    Schwebt dies Tönen durch die Luft,
    Voll und lind.
     
    Und die Flöte hört ein Kind,
    Das im Busche Blumen brach.
    Und es geht dem Klange nach,
    Herzgeschwind.
    Dachte hier sich ganz allein,
    Und nun flötet Einer,
    Wer mag dieser Flöter sein?
    So wie der kanns Keiner,
    Keiner, den sie je gehört;
    Ach, sie ist ganz tonbethört,
    Und ihr Herz schlägt schnelle.
    Sicher, gar ein schöner Mann
    Ist, der also flöten kann,
    Und ein junger Geselle.
     
    Und sie schürzt sich hoch den Rock,
    Folgt dem Klange immer zu,
    Busch durch über Stein und Stock;
    Nein doch, hu!:
    Der da flötet ist ein Bock!
     
    Himmel, ach, wie sieht der aus!
    Braune Haare, dick und kraus,
    Um und um;
    Und die Nase, und die Beine,
    Die sind krumm!
    Hat ein Wackelschwänzchen gar
    Und zwei Hörner, wunderbar!
    Aber Kleider keine.
     
    Und sie lacht und lacht und lacht,
    Bis ihr Thränen rinnen.
     
    Pan ist aus dem Lied erwacht,
    Und er flieht von hinnen.
    Flieht in tiefste Einsamkeit,
    Menschensicher, menschenweit.
     
     

Golgatha
     
    Eine Schneefläche unabsehbar weit;
    Der graue Nebel darüber wie eine Last
    Von dumpfem Haß.
     
    Ists Tag? Ists Abend?
    Ich sehe kein Gestirn.
     
    Ob die Sonne noch lebt?
     
    Ueber die eisige Fläche schleppt sich müde mein Schritt.
    Mir ist, als söge der giftige Nebel aus allen meinen Poren
    Das Leben und zöge mich fort
    In ein langsames Sterben.
     
    Seine Finger sind naß, schlaff, kalt.
     
    Oh, ihr rosig sonnendurchglühten Finger
    Des Frühlingsmorgens, die ihr ins Leben weckt,
    Wo seid ihr?
     
    Und ein hüpfender Wind der Erinnerung
    Geht durch mein Herz hin wie ein leiser Tanz
    Voll seidenem Rauschen.
    Da
    Eine Stimme hinter mir.
    Hart wie frostberstendes Eis.
     
    »Du da!«
     
    Wie in den Boden gerammt, steh ich erschrocken.
     
    »Was erschrickst du! Ich bin nicht der Tod.
    Ich bin nicht der Tod ....
    Ach!«
     
    Eine Wolke umballt meine Sinne. In kalte
    Leichenkammern entflieht meine Seele.
    Dann taucht sie heraus
    In eine große Helligkeit,
    Und neben einem greisen Manne schreit ich
    Durch ein sonnenheißes Land.
     
    Grellweiße Felsen und dürres Gelb
    Sterbender Reife rechts und links.
     
    »Hebe dein Haupt!
    Sieh! Da ist Golgatha!«
     
    Christus!
     
    Im glühenden Sonnenbrand,
    Tief niedergesunken das Haupt,
    Am Kreuz.
    Ich sehe in seinem blonden Haar
    Den Dornenkranz, die Schmerzensgloriole.
    Sein Leib ist dürr und voller Blutrunst.
     
    Oh, Christus!
     
    »Komm!«
     
    Oh, laß mich beten am heiligen Marterstamm!
    Hier laß mich beten lernen!
     
    »Komm! Siehe die Leute an, die beten.«
     
    Er führt mich fort.
    Und wieder flieht meine Seele.
    Durch wetternden Sturm flieht sie und Waffengeklirr
    Und Feuersbrunst
    Und Sterbeklagen.
    Und in ein mittleres Licht taucht sie auf.
     
    Auf glattem Asphalte schreiten wir
    Durch eine große Stadt,
     
    »Hebe dein Haupt! Sieh, da ist Golgatha!«
     
    Gott! Gott! Entsetzlich, da –:
    Mitten im schiebenden Gewirre der Stadt,
    Da,
    Mitten auf großem Platz,
    Zwischen Theatern und Kirchen und Parlamenten:
    Das Kreuz!
    Christus daran,
    Blutend,
    Gesenkten Hauptes,
    Und keiner achtet sein.
    Regimentsmusik, Wagengerassel, Gedröhn,
    Lachen und Schreien.
     
    Christus! Christus! Blutender Heiland!
     
    Christus! –
    Er hebt das Haupt,
    Oeffnet die Lippen:
    »Mich dürstet!«
     
    Keiner achtet sein.
     
    Ihm sinkt das Haupt.
     
    »Komm!«
     
    Und es wird still.
    Ich höre Vogelsingen.
    Die Luft ist lau.
    Im Korne geht die Sense.
    Friede! Friede!
     
    Ein unermeßliches Feld,
    Ein segenschweres Meer von windbewegten goldenen Halmen.
    Tausend Sichler mähen im Schwung.
     
    »Hebe dein Haupt! Sieh, da ist Golgatha!«
     
    Mitten aus goldenem Garbenberg das Kreuz.
    Ein stumpffinsterer Mann,
    Eine Peitsche in Händen,
    Daran gelehnt.
    Sein Blick
    Mustert über die gebückten Rücken der Mäher.
    Und über ihm der gepeinigte Leib der Liebe.
     
    Christus!
     
    Da seh ich sein Auge,
    Schmerzdurchstiert,
    Dunkelbraun,
    Weit offen,
    Hoffnungsleer.
    Und seine Lippen öffnen sich.
    Schwarzes Blut entquillt dem Munde und ein Wort:
    Haß!
     
    »Willst du noch beten?«
     
    Schnee knirscht wieder unter meinem Schritt,
    Und wieder saugt mein Leben der Nebel.
     
    »Willst du noch beten?
    Viele Beter
    Sahst du!«
     
    Wer bist du, alter Mann?
     
    Und, langsam ferner werdend, nebelverschluckt,
    Wehen die

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